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Schlappe für Polizeibruderschaft
In der US-Ostküstenstadt Philadelphia hat Bezirksstaatsanwalt Lawrence Krasner die Vorwahl der Demokraten für seine zweite Amtszeit als Chefankläger der Stadt gegen seinen parteiinternen Widersacher Carlos Vega gewonnen. Damit ist es der rechten Polizeibruderschaft FOP und weiteren »Law and Order«-Kreisen am Dienstag trotz extensiver Wahlpropaganda und offener Manipulation der Wahlregister nicht gelungen, den von ihnen protegierten Gegenkandidaten durchzusetzen (jW berichtete). Von den abgegebenen 160.000 Stimmen errang Krasner 105.000 und damit doppelt so viele wie Vega. Somit ist er als Kandidat der Demokraten bei den landesweiten Zwischenwahlen im November gesetzt.
Gegen Krasner wird dann der chancenlose Republikaner Charles Peruto antreten, der bei den Vorwahlen seiner Partei am Dienstag als alleiniger Bewerber um den Posten nur auf rund 10.000 Stimmen kam. Die Demokraten sind in Philadelphia jedoch traditionell stärkste Kraft mit einem statistischen Verhältnis ihrer registrierten Wähler zu denen der Republikaner von sieben zu eins. Krasner ist damit die zweite Amtszeit sicher. Die Wahl 2017 gewann er mit 75 Prozent der Stimmen.
Bevor der heute 60jährige 2017 zum Bezirksstaatsanwalt gewählt wurde, war Krasner in Philadelphia drei Jahrzehnte lang als Strafverteidiger und Bürgerrechtsanwalt tätig. Aus dieser Zeit stammt eine lange Liste seiner Klagen gegen den notorisch rassistischen und korrupten Polizeiapparat der Stadt. Die schwarze Bevölkerung setzte deshalb alle Hoffnungen in ihn und wählte ihn 2017 wegen seines »Reformprogramms«, mit dem er sowohl Veränderungen bei der Polizei als auch in der nicht weniger berüchtigten Staatsanwaltschaft versprach.
Weil Krasner diesen »Reformprozess« zumindest begonnen hat, hatte das antirassistische Netzwerk »Color of Change« seine erneute Unterstützung für Krasner erklärt, um damit die FOP in Philadelphia zu blockieren. Diese hatte verhindert, dass »von der Stadt eine Liste korrupter Polizisten erstellt« wurde, und deren Chef John McNesby habe »Black Lives Matter«-Demonstranten als »tollwütige Tiere« bezeichnet.
Nach seiner Nominierung sagte Krasner laut der Tageszeitung Philadelphia Inquirer mit Blick auf die angestiegene Gewalt in den Armenvierteln der Stadt, er habe erneut ein Mandat erhalten »von den Menschen, die am meisten von schwerer Kriminalität betroffen sind«. Seine Wähler hätten »Kritiker zurückgewiesen, die den Staatsanwalt für Schießereien verantwortlich machen, die die Stadt plagen«. Eine Anspielung auf die Propaganda der FOP und Vegas, die Krasner vorgeworfen hatten, »zu weich gegen bewaffnete Kriminelle« vorzugehen und »verurteilte Verbrecher freizulassen«. Krasner sieht mit seiner Wahl zum Kandidaten der Demokraten »definitiv eine Politik der Angst zurückgewiesen, die auf Unwahrheiten aufgebaut« sei.
Afroamerikanische Unterstützer Krasners hatten an der Vega-Kampagne der FOP vor allem kritisiert, dass grassierende rassistische Polizeigewalt wie die gegen den 27jährigen Walter Wallace jr. unter den Tisch gekehrt werde, der im Oktober 2020 in Philadelphia von der Polizei erschossen worden war. Es bleibt abzuwarten, wie die »Free Mumia«-Bewegung sich weiter mit Krasner auseinandersetzen wird. Denn im Februar hatte dieser viele vor den Kopf gestoßen, als er sich gegen ein Berufungsverfahren für den politischen Gefangenen und Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal ausgesprochen hatte. Krasners Verhalten in diesem Fall werde ihn »vielleicht nicht die Wiederwahl kosten«, hatte der Sender WHYY gemutmaßt, aber es werde »seinen Ruf als Reformer von Ungerechtigkeiten im Strafrechtssystem beschädigen, wie sie in Abu-Jamals Fall reichlich vorhanden waren«.
Jürgen Heiser