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»Endlich befreien«
Der US-Sportler Colin Kaepernick fordert die sofortige Freilassung des inhaftierten Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal und kritisiert die US-Justiz dafür, dass sie ihn zu Unrecht seit über 38 Jahren hinter Gittern hält. Das erklärte der Quarterback der Footballprofiliga NFL auf einer virtuellen Pressekonferenz zum Fall Abu-Jamals, zu der am Montag mittag (Ortszeit) eine Reihe von Organisationen der US-Solidaritäts- und Menschenrechtsbewegung eingeladen hatte.
»Wir befinden uns inmitten der Bewegung ›Black Lives Matter‹«, betonte Kaepernick, und wenn schwarze Leben zählten, »dann müssen auch Mumias Leben und Vermächtnis zählen«. Er trete »für unsere Menschenrechte ein, also müssen wir genauso für seine eintreten«, hob der Footballer hervor, der 2016 Aufsehen erregt hatte, als er sich beim Abspielen der US-Nationalhymne in einem Stadion hinkniete, um ein Zeichen gegen rassistische Polizeigewalt zu setzen.
In seinem Videobeitrag betonte Kaepernick, auch wenn das 1982 gegen den mittlerweile erkrankten Gefangenen ausgesprochene Todesurteil seit 2011 aufgehoben sei, bleibe er weiterhin eingesperrt und erlebe eine »langsame Todesstrafe«. Seit seiner Verhaftung im Dezember 1981 habe Abu-Jamal beteuert, den Polizisten Daniel Faulkner nicht getötet zu haben. Die rechte Polizeibruderschaft FOP in Philadelphia habe jedoch öffentlich geschworen, »nicht eher zu ruhen, bis er in der Hölle schmort«.
Die Historikerin und Aktivistin Johanna Fernandez, die durch die zweieinhalbstündige Pressekonferenz führte, sagte, für Abu-Jamal sei nun »der 39. Winter in Haft angebrochen«, ein Ende immer noch nicht in Sicht. Obwohl 2018 eine mit Hoffnungen verbundene Entwicklung eingesetzt hatte, als Richter Leon Tucker vom Staatsgericht in Philadelphia Abu-Jamal das Recht zugesprochen hatte, abgelehnte Berufungsanträge der Jahre 1998 bis 2014 erneut vor dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias verhandeln zu lassen. Doch die FOP hatte laut »Verrat« geschrien und im Frühjahr 2020 juristisch eine unbefristete Aussetzung der anhängigen Berufungsverhandlungen erwirkt (jW berichtete).
Pam Africa, Sprecherin des »Komitees der Familie und Freunde Mumias«, erklärte dazu, diese Blockade setze »die Korruption in den Verfahren gegen Mumia« fort. »Mumia wäre längst tot« ohne seine Unterstützerbewegung. Die internationale Solidarität begrüßte auch Jamal Hart, einer der Enkel Mumias. Der junge Aktivist Santiago Alvarez forderte, nicht nur Abu-Jamal, sondern alle politischen und vor allem die älteren Gefangenen freizulassen, die akut von der grassierenden Coronapandemie bedroht seien. Das unterstützten durch ihre Beiträge auch der frühere Gefangene und Todesstrafengegner Kwame Ajamu, der Journalist Linn Washington und der Anwalt und Dichter Dwayne Betts.
Die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis, die selbst politische Gefangene war und Anfang der 1970er Jahre mit Hilfe einer internationalen Kampagne freigekämpft wurde, drückte ihre »unerschütterliche Solidarität mit Mumia« aus. Er habe »eine zentrale Rolle in der Bewusstseinsbildung über das Problem des strukturellen und systematischen Rassismus gespielt«. Seit seiner Zeit bei den Black Panthers habe das FBI ihn beobachtet und »immer schon einen Grund finden wollen, ihn einzusperren«. Sein Fall sei »von unzähligen Rechtsverletzungen« geprägt sowie vom »strukturellen Rassismus«, gegen den er sich schon als junger Aktivist und Journalist gewandt habe. Internierungslager für Geflüchtete, rassistische Polizeigewalt und der gefängnisindustrielle Komplex hingen so eng zusammen wie die jeweiligen Gründe für die Forderung nach ihrer Abschaffung. Deshalb sei es »nur richtig und gerecht, dass wir unsere Anstrengungen forcieren, unseren Bruder und Genossen endlich zu befreien«, so Davis. Sie schloss die Konferenz mit den Worten: »Wir fordern die Freilassung aller, deren Prozesse und Strafen beeinflusst sind von ihren politischen Überzeugungen und weil sie gegen das herrschende System gekämpft haben.«
Jürgen Heiser
Link zur Videoaufzeichnung der Pressekonferenz am 16.11.2020: Bitte HIER klicken![2]