Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 173 vom 27. Juli 2020: Bitte HIER klicken![1]
Archetypus eines Aktivisten
John Lewis wurde als Teilnehmer der Bürgerrechtskämpfe der 1950er- und 1960er Jahre dadurch bekannt, dass er von der rassistischen Knüppelgarde der Polizei des US-Bundesstaats Georgia beinahe zu Tode geprügelt wurde. Das geschah auf der Edmund-Pettus-Brücke in Selma, die nach einem ehemaligen Brigadegeneral der Konföderiertenarmee benannt ist, die hundert Jahre zuvor für die Beibehaltung der Sklaverei gekämpft hatte. Der 7. März 1965 ging als »Blutsonntag« in die US-Geschichte ein. An diesem Tag wurde ein friedlicher Marsch von Martin Luther Kings Southern Christian Leadership Conference auf jener Brücke in einem Gewaltrausch der Staatspolizei gestoppt und aufgelöst.
Lewis hatte sich schon als Jugendlicher der Bürgerrechtsbewegung angeschlossen und war die letzten dreißig Jahre seines Lebens Abgeordneter des US-Bundesstaates Georgia im Repräsentantenhaus des US-Kongresses. Sein Leben verlieh einer Reihe von Politikern Glanz, die in öffentlichen Meinungsumfragen in der Regel nur schlechte Werte erzielten.
Vor der langen Phase seiner parlamentarischen Arbeit führte er während seiner Studentenzeit das Student Nonviolent Coordinating Committee an, dessen Abkürzung SNCC unter Leuten der Bewegung »Snick« ausgesprochen wurde. Als Vorsitzender löste ihn 1966 Stokely Carmichael (1941–1998) ab, der später zu Ehren führender Köpfe der antikolonialen Befreiungskämpfe Afrikas den Namen Kwame Ture annahm. Politisch repräsentierte Ture die wachsende Militanz der schwarzen Freiheitsbewegung.
Lewis verkörperte den Archetypus eines Aktivisten, der sich zum Berufspolitiker entwickelte. er war exemplarischer Vertreter der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Als Sohn schwarzer Farmpächter war er gleichzeitig auch ein Paradebeispiel für die klassische US-amerikanische Erfolgsgeschichte des spektakulären Aufstiegs aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Leben lang stand er felsenfest zu den Lehren des friedlichen Wandels der Gesellschaft, wie sie Dr. Martin Luther King Jr. vertrat.
John Lewis, geboren am 21. Februar 1940, hat sich am 17. Juli 2020 nach achtzig Sommern seines Lebens auf den Marsch zu seinen Vorfahren gemacht.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Nachtrag zu einem Interview mit Philadelphias Bezirksstaatsanwalt Krasner
Am 23. Juli äußerte sich der Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia, Larry Krasner, in einem Gespräch mit dem US-Sender Democracy Now! über Polizeikorruption, die viele Kriminalfälle der Stadt beeinflusst habe. Darunter auch den des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal, der wegen der ihm 1981 untergeschobenen Erschießung des Polizeibeamten Daniel Faulkner aus Philadelphia seit bald vierzig Jahren hinter Gittern sitzt. Wenige Wochen nach dem Ende von Abu-Jamals Prozess im Juli 1982 war ein Drittel der an seinem Fall beteiligten Polizisten suspendiert und inhaftiert worden, weil sie in zahlreichen Strafverfahren systematisch Beweismaterial manipuliert hatten, um Verurteilungen durchzusetzen. Krasner, der vor seiner Wahl zum Staatsanwalt jahrzehntelang als Bürgerrechtsanwalt tätig war, erklärte, in den bislang 26 Monaten seiner Amtszeit habe sein Büro vierzehn Inhaftierte von den ursprünglich gegen sie erhobenen Vorwürfen entlastet. Bezüglich Abu-Jamal sagte Krasner, in seinem Fall sei aktuell vieles in Bewegung. Er werde aber »nicht mehr und nicht weniger ernst genommen als jeder andere«. Es gebe »zum jetzigen Zeitpunkt gewisse Einschränkungen hinsichtlich dessen, was angemessen wäre, dazu zu sagen«. Heute seien »fortschrittliche Staatsanwälte mit einem Mikrokosmos von Realitäten konfrontiert«, wenn sie versuchten, alte Fälle neu aufzurollen »und Gerechtigkeit zu üben«. Wenn sie versuchten, »ihren Verpflichtungen zur Ermittlung entlastender Fakten nachzukommen« in einem juristischen Umfeld, in dem »früher geschreddert, versteckt und vernichtet« wurde. In »einer Kultur, die ich fast 30 Jahre lang selbst als Strafverteidiger und Bürgerrechtsanwalt erlebt habe«, so Krasner. (jh)