Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 149 vom 29. Juni 2020: Bitte HIER klicken![1]
Von Frauen erschaffen
In der turbulenten Zeit nach dem Polizistenmord an dem Afroamerikaner George Floyd, der in aller Öffentlichkeit einen brutalen Erstickungstod starb, haben wir das Entstehen einer bemerkenswerten und gefestigten Bewegung gegen Rassismus und gegen den Staatsterror der Polizei erlebt. Als ich mir diese Entwicklung voller Verwunderung genauer anschaute, wurde mir klar, dass die neue Bewegung vor allem von Frauen erschaffen wurde. Sie, diese multiethnische und, nicht zu vergessen, geschlechter- und altersübergreifende Massenbewegung, wird von Menschen angeführt, die zur untersten Stufe der »Rassen-« und Klassenpyramide der US-Gesellschaft gezählt werden: von schwarzen Frauen, von zudem meist sehr jungen schwarzen Frauen.
Sie haben den Moment genutzt und Menschen aus fast allen Teilen der Gesellschaft zusammen und auf die Straße gebracht. Frauen sind der Kern der »Black Lives Matter«-Bewegung. Sie läuten die Alarmglocken in der Nacht und warnen die Vereinigten Staaten von Amerika und die ganze Welt, dass dieses amerikanische Haus in Flammen steht. Sie sind, um die emeritierte Professorin, Aktivistin und Ikone der Bürgerrechtsbewegung Dr. Angela Davis zu zitieren, »klüger und besser« als die ihnen vorausgehenden Aktivistinnen und Aktivisten der 1960er Jahre. Sie lernen aus der Geschichte und sind Meisterinnen im Organisieren.
Durch den brutalen Mord an George Floyd ist das Problem des staatlichen Terrors gegen schwarze und von Armut geplagte Gemeinden auf die Tagesordnung gesetzt worden. Wenn überhaupt haben nur wenige Politiker eine Vorstellung davon, wie darauf zu reagieren wäre. Karl Marx und Friedrich Engels haben 1848 im »Manifest der Kommunistischen Partei« erklärt: »Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet.« Die Worte machen klar, warum von dieser Seite keine Antwort auf das Problem des Rassismus zu erwarten ist, das seit Generationen besteht.
Ideen für eine Lösung kommen nur aus der Bewegung. Aber die guten Vorschläge von der Basis werden zum einen bekämpft von Politikern, die angeblich gewählt wurden, den Willen des Volkes zu vertreten, und zum anderen von den Medien, oder besser gesagt: den Konzernmedien.
Wir finden uns gerade inmitten einer sich entwickelnden Bewegung wieder, so als erschauerten wir im Auge eines Hurrikans, und erleben hautnah, wie alles erschüttert, wenn nicht gar umgewälzt wird. Was für Tage, was für Stunden!
Übersetzung: Jürgen Heiser