Link zum Interview in junge Welt Nr. 215 vom 16. September 2019: Bitte HIER klicken![1]
»Wir protestieren gegen eine rassistische Justiz«
Am Dienstag findet eine Mahnwache für politische Langzeitgefangene in den USA vor dem US-Generalkonsulat in Frankfurt am Main statt. Was versprechen Sie sich davon?
Wir halten seit fünf Jahren regelmäßig die Mahnwache ab, um an die in den USA inhaftierten politischen Gefangenen zu erinnern. Wir setzen uns dafür ein, dass Leonard Peltier, Mumia Abu-Jamal, Ana Belén Montes und andere endlich freigelassen werden. Schon lange zuvor, seit Dezember 2000, hatten wir immer wieder protestiert. Damals forderten wir auch die Freilassung der fünf kubanischen Agenten, die seit 1998 in den USA im Knast waren. Diese Gruppe, ursprünglich zu hohen Haftstrafen verurteilt, ist mittlerweile auf freiem Fuß: die letzten drei von ihnen seit Dezember 2014. Sie waren der Spionage angeklagt. Dass sie in der Regierungszeit des US-Präsidenten Barack Obama freigelassen wurden, war vorrangig dem weltweiten Druck der Öffentlichkeit zu verdanken.
Weshalb haben Sie sich in dieser Bewegung engagiert?
Alle Gefangenen, für die wir uns einsetzen, waren aus politischen Gründen inhaftiert, zum Teil nach Urteilen einer rassistisch geprägten Justiz. Insbesondere gilt dies für Mumia Abu-Jamal und den indigenen Aktivisten Leonard Peltier, der mehr als die Hälfte seines Lebens in US-Gefängnissen verbracht hat und dort gerade seinen 75. Geburtstag begehen musste. Peltier stellt für junge Indigene eine Symbolfigur in ihrem Widerstandskampf dar. Es geht uns aber nicht nur um das Schicksal von Individuen, sondern, um es mit Mumias Worten zu sagen, darum, die Verhältnisse zu ändern. Institutionen wie diese Gefängnisse, die nur das Recht von Konzernen durchsetzen, die für Umweltzerstörung, Krieg und Rassismus stehen, müssen abgeschafft werden.
Wie geht es Mumia Abu-Jamal, der 1981 festgenommen wurde, ab 1982 knapp 29 Jahre im Todestrakt saß und seit 2011 bis heute im sogenannten »Normalvollzug« ist?
Sie haben ihm nicht die Freiheit genommen, weil ihm irgendein Verbrechen nach dem bürgerlichen Sanktionskatalog nachgewiesen worden wäre, sondern weil er gegen Rassismus, Polizeigewalt, Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung gekämpft hat. Er erhebt immer wieder seine Stimme, auch gegen die staatliche und private Gefängnisindustrie in den USA. Die Vorwürfe gegen ihn sind unter anderem durch Einschüchterung von Zeugen entstanden. Jetzt haben wir Hoffnung, weil das Verfahren in Philadelphia neu aufgerollt wird. Um die Revision zu unterfüttern, haben seine Anwälte vor wenigen Tagen Belege für seine Unschuld eingereicht. Wir sind in Sorge um ihn, weil er krank und fast erblindet ist, was für ihn als Journalist besonders hart ist. Vor einigen Tagen hatte er eine Operation an einem Auge.
Was ist zu Ana Belén Montes zu sagen?
Sie arbeitete für den militärischen Geheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) in den USA und gab Informationen an Kuba weiter, welche terroristischen Anschläge Exilkubaner planten. Von einer 25jährigen Haftstrafe hat sie 17 Jahre abgesessen.
Wie sehen Sie die Lage der Gefangenen im Zusammenhang mit Donald Trumps Präsidentschaft?
Für die politischen Gefangenen ist die Umbesetzung von hohen Richtern durch Konservative ebenso eine Gefahr wie der sich verschärfende Rassismus in den USA.
Reagiert das Frankfurter US-Konsulat auf die Mahnwachen?
Dort hüllt man sich in Schweigen, schließt die Tür. Das Konsulat ist aber gehalten, unsere Aktivitäten an das US-Außenministerium zu melden. Wir sind mit unserem Protest nicht allein: In Berlin und anderen Städten tun Aktivisten es uns gleich. Seit dreieinhalb Jahren demonstriert eine Gruppe regelmäßig vorm US-Konsulat in Leipzig. In anderen Ländern gibt es ähnliche Mahnwachen. So wird deutlich, dass es auch außerhalb der USA Stimmen gibt, die die Freilassung der politischen Gefangenen fordern. Wir protestieren gegen ein rassistisches Justizsystem.
Interview: Gitta Düperthal