Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 179 vom 5. August 2019: Bitte HIER klicken![1]
Favorit der Demokraten
Die mögliche Kandidatur des US-Demokraten Joseph R. Biden Jr. für das Präsidentenamt der Vereinigten Staaten von Amerika hat landesweit zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Biden, der im November in sein 77. Lebensjahr eintritt, werden aus der schwarzen US-Bevölkerung durchaus sympathische Gefühle entgegengebracht, da ihn in den Jahren 2009 bis 2017 als Vizepräsident der USA eine enge Partnerschaft mit dem ersten schwarzen Präsidenten der Nation, Barack Hussein Obama, verband.
Während sich also von diesen acht Jahren Regierungszeit unter Obama immer noch ein strahlender Glanz über Bidens mögliche Kandidatur legt, wird sein Wirken als US-Senator gern übersehen. Biden vertrat über 30 Jahre den Bundesstaat Delaware im US-Kongress. Sollte seine Partei ihn am Ende aus den über zwanzig Bewerberinnen und Bewerbern als ihren Spitzenkandidaten aufstellen, müssen wir sein Handeln in dieser längsten Phase seiner politischen Karriere beurteilen, um entscheiden zu können, ob Bidens Kandidatur für das US-Präsidentenamt zu unterstützen oder eher abzulehnen ist. Dazu sollen hier nur einige Eckdaten seiner Senatorentätigkeit nachgezeichnet werden.
In den 1990er Jahren stimmte Biden entschlossen für die von der Regierung seines Parteifreundes William Clinton durchgesetzte »Crime Bill«, ein berüchtigtes »Gesetz zur Verbrechensbekämpfung«, in dessen Folge Gefängnisneubauten wie Pilze aus dem Boden schossen und es aufgrund der Verschärfung der Strafgesetze zu Masseninhaftierungen kam.
Biden unterstützte die bemerkenswerte Gesetzesinitiative »Bankruptcy Bill«, durch die verhindert wurde, dass Studierenden ihre meist hohen Schulden aus Bankkrediten für die üblichen horrenden Studiengebühren im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erlassen würden. Nicht weniger überzeugt, unterstützte Senator Biden den katastrophalen Irakkrieg, den der frühere republikanische US-Präsident George W. Bush im März 2003 durch die Propagandalüge über angebliche »Massenvernichtungswaffen« vom Zaun brach.
Natürlich machen alle Menschen Fehler, und so erklärte Biden kürzlich zu seinen eigenen, wenn er gewählt würde, dann würde er einige davon korrigieren. Dient eine Präsidentschaftswahl aber nicht im wesentlichen dazu, sich mit einem in die Zukunft gerichteten Wahlprogramm um das Amt zu bewerben? Und wäre es dann nicht angebracht, seine Fehler vor der Wahl korrigiert zu haben und mit weisen Erkenntnissen und Weitblick in den Wahlkampf zu ziehen, damit die Wählerschaft weiß, wem sie warum ihre Stimme gibt?
Bidens Karriere als Senator ist ein Beispiel dafür, wie man sich auf Kosten der Armen und Unterdrückten in den Dienst der Reichen und Mächtigen stellt. Seine aktuellen politischen Positionen sind von Ehrgeiz und der Verzweiflung der Demokraten angetrieben, trotz ihrer schlechten Wahlprognosen Donald Trump und seine Republikaner zu schlagen.
Deshalb geht es auch jetzt nicht um die Interessen der Wählerschaft, sondern einzig um eine Person – Joseph »Joe« Biden. Aber wer gibt schon jemandem seine Stimme, der die Mehrheit seiner Wählerschaft über Jahrzehnte wieder und wieder im Stich gelassen hat?
Übersetzung: Jürgen Heiser