Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 174 vom 29. Juli 2019: Bitte HIER klicken![1]
Frauen der Revolution
Etwa Mitte Juni besuchte mich Sister Suzanne Ross, eine meiner langjährigen Unterstützerinnen aus New York City, die als Sprecherin des Komitees »International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal« unermüdlich daran arbeitet, meinen Fall international bekanntzumachen. Nach dem intensiven Gespräch mit Suzanne dachte ich darüber nach, einen Artikel speziell über die Frauen der Move-Organisation in Philadelphia zu schreiben. Das schien mir in diesen Tagen besonders deshalb angebracht, weil in der letzten Zeit mehrere Move-Frauen aus dem Gefängnis entlassen worden waren: Debbie, Janet und Janine Africa.
Jede dieser Frauen verbrachte über 40 Jahre in den Knästen von Pennsylvania. Zeitweise wurden sie in die berüchtigten »Löcher« gesperrt, die Isolierzellen zur Disziplinierung der Gefangenen. Das Vergehen der Frauen: Sie hatten gegen das Unrecht protestiert, das ihnen permanent widerfuhr.
Debbie, Janet, Janine und andere Move-Frauen waren keine Fremden für mich, denn in den siebziger Jahren hatte ich einige von ihnen als Radioreporter interviewt, als sie noch in ihrem alten Gemeinschaftshaus in der Powelton Avenue im Stadtteil West Philadelphia wohnten, nicht weit von der 1891 gegründeten Universität »Drexel Institute of Art, Science and Industry« entfernt. Später habe ich einige dieser Frauen erneut interviewt, als sie schon im »Philadelphia House of Correction« in Holmesburg im Nordosten der Stadt einsaßen. Dieser alte Knast, der 1874 nach dem sogenannten pennsylvanischen System erbaut wurde, ist seit 1995 geschlossen.
Mehr als vierzig Jahre waren für die Move-Frauen seit ihrer Verurteilung nach der Polizeirazzia am 8. August 1978 vergangen, aber – kaum zu fassen – sie waren noch immer dieselben Menschen, die damals hinter Gitter mussten. Waren sie älter geworden? Natürlich, aber das ist ihnen kaum anzumerken. Aber vielleicht irre ich mich, und sie haben sich doch verändert. Denn ein ehrlicher Blick zeigt, dass sie heute engagierter und entschlossener sind als jene jungen Frauen, die die Gefängniszellen vor über vierzig Jahren zum ersten Mal betraten! Und als ich mir aktuelle Fotos von ihnen ansah, machte ich eine weitere sehr persönliche Beobachtung: Sie sind heute schöner als vor vierzig Jahren. Vielleicht ist das schwer zu glauben, aber davon kann sich jeder selbst überzeugen.
Was allgemein die Rolle von Frauen in der Move-Organisation betrifft, so ist meines Erachtens vor allem die simple, aber aufschlussreiche Tatsache kaum bekannt, dass sie im wesentlichen die Organisation führen. Dieses Beispiel finden wir kaum in anderen Basisbewegungen, es sei denn, es handelt sich um Organisationen der Frauenbewegung. Was Disziplin, Engagement, Standhaftigkeit und Kampfeswillen betrifft, haben die Frauen in der Move-Organisation hohe Maßstäbe gesetzt, denn sie sind »Frauen der Revolution«!
Übersetzung: Jürgen Heiser