Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 143 vom 24. Juni 2019: Bitte HIER klicken![1]
Müllkippen der Gesellschaft
Im Februar 2017 veröffentlichte die US-Wochenzeitung Workers World einen Artikel von mir unter der Überschrift »What’s a ›Jailhouse Environmentalist‹?« (»Was ist ein ›Knast-Umweltschützer‹?«). Darin berichtete ich von dem Gefangenen Bryant Arroyo, einem Puertoricaner, der ein Drittel seines Lebens im Staatsgefängnis von Mahanoy im Südosten Pennsylvanias verbracht hatte. Arroyos Kampf galt einer industriellen Großanlage zur Gasverflüssigung, die direkt vor den Toren des Gefängnisses errichtet werden sollte.
Als er Wind von dem Projekt bekam, recherchierte er zunächst, was genau da geplant war. Dazu besuchte er die Gefängnisbibliothek und las einen offiziellen Bericht der US-Umweltschutzbehörde über die Umweltbelastungen, die durch eine solche Anlage drohen. Nachdem seine spontane Besorgnis durch die Fakten bestätigt worden war, sprach er mit Gefangenen und sogar Wärtern über das geplante Bauprojekt. Er erklärte ihnen, dass in dem dort künftig stattfindenden Prozess der Verflüssigung und Verdichtung von Erdgas nicht nur Kohlendioxid, sondern auch Stickoxide und tonnenweise von den Umweltbehörden als krebserregend eingestufte Rußpartikel freigesetzt würden. Dieser Umweltbelastung wären nicht nur die Gefangenen, sondern auch die Wärter und ihre Familien, sofern sie in der Nähe des Knastes wohnten, permanent ausgesetzt.
Durch Arroyas Initiative trudelten schon kurze Zeit später bei den zuständigen örtlichen Behörden die ersten Protestbriefe gegen das Bauprojekt ein. Aus den anfänglich vereinzelt eintreffenden Briefen erwuchs schon bald eine Flut von 900 Protestschreiben. Als sich zusätzlich noch die Medien der Sache annahmen und die Bevölkerung alarmiert wurde, landete der Plan zum Bau der Großanlage schließlich im Müll. Bryant Arroyo hatte gesiegt! Ich sagte danach zu ihm, er sei der erste mir bekannte »Knast-Umweltschützer«.
Arroyo schrieb sich dann in Fernkurse einer gemeinnützigen Umweltschutzorganisation namens »Environmental Defense Fund« ein, um sein Wissen über die Umweltschutzgesetzgebung zu vertiefen. Dabei erfuhr er auch, dass es in Artikel 1, Absatz 27 der Landesverfassung Pennsylvanias heißt: »Die Menschen haben ein Recht auf saubere Luft, reines Wasser und den Erhalt der natürlichen, landschaftlichen, historischen und ästhetischen Werte der Umwelt.«
Vor einigen Jahren veröffentlichte das Abolitionist Law Center in Pittsburgh einen niederschmetternden Bericht über ein Staatsgefängnis in Pennsylvania, das auf einer ehemaligen Giftmülldeponie errichtet worden war. In diesem Knast häuften sich die Krebserkrankungen sowohl unter Häftlingen als auch unter Beschäftigten des Gefängnisses. Trotzdem ist dieser Knast bis heute in Betrieb!
Was sind Gefängnisse auch anderes als Müllkippen für alles Negative der Gesellschaft? Sie sind Orte massiver Umweltverschmutzung des Geistes, Verstandes und der menschlichen Psyche. Die Umwelt hinter diesen Mauern wird völlig beherrscht von Kräften der Unterdrückung. Diese simple Wahrheit dürfen wir nicht ignorieren. Diese Orte können deshalb nichts Gutes hervorbringen. Und vielleicht kehren genau deshalb auch so viele Rückfällige in diese Einrichtungen zurück, weil sie sich im Leben draußen und dort, wo sie früher zu Hause waren, nicht mehr zurechtfinden. Jede andere Institution mit einer solchen Bilanz des Scheiterns würde unweigerlich und für immer geschlossen. Doch nicht so die Institution Gefängnis, der Millionen von Menschen permanent ausgesetzt sind. Es braucht eine entschlossene Massenbewegung, um diese gesellschaftliche Realität endlich grundlegend zu verändern.