Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 99 vom 30. April 2018: Bitte HIER klicken![1]
Auseinandersetzung mit US-Imperialismus
Wann fängt ein Buch an zu existieren? Wenn der Autor es schreibt, oder wenn der Leser oder die Leserin es liest? Dieser Gedanke ging mir durch den Kopf, als mein neuestes Buch endlich der Öffentlichkeit übergeben werden konnte. Sein Titel: »Murder Incorporated: Dreaming of Empire. Book One« (etwa: »Mörder GmbH: Träume des Imperiums. Erster Band«). Verfasst habe ich es zusammen mit Stephen Vittoria, und veröffentlicht wurde es vom Prison Radio Project in San Francisco. Allerdings müsste ich statt von »meinem Buch« besser von »unserem Buch« sprechen, denn dieses Werk ist tatsächlich das Werk von zwei Köpfen, zwei Augenpaaren und zwei menschlichen Psychen mit einem zentralen Leitgedanken: Antiimperialismus – gegen das Imperium.
Vittoria ist Filmemacher und Dokumentarist, der seit Jahren daran arbeitet, einen Film über einige der hervorragendsten Denker der Vereinigten Staaten von Amerika zu produzieren. Dazu gehören beispielsweise der außerordentlich kluge Schriftsteller, Schauspieler und Politiker Gore Vidal (1925–2012) und der ebenso überzeugende afroamerikanische Comedian und politische Aktivist Dick Gregory (1932–2017). Leider wurde aus dem Filmprojekt nichts, und Stephen überlegte, ob die Worte solch begabter Denker nicht in einem anderen Format zum Leben erweckt werden könnten, nämlich in Form eines Buches.
Als er mir vorschlug, unsere Kräfte zu vereinen und ein Buch zu verfassen, zögerte ich zunächst, weil es bei diesem Projekt um etwas ging, das ich zuvor noch nie gemacht hatte. Das Buch mit Vittoria erfordete wirklich harte Arbeit, zu der Recherche, viel Lesen, gründliches Nachdenken und Interpretieren der Quellen gehörten, um dann schließlich die gewonnenen Erkenntnisse als historische Fakten für die Welt niederzuschreiben. Ein solches Projekt ist schon schwierig genug, wenn man es allein realisieren will. Aber wenn das zwei Kollegen schaffen wollen, die durch Stahl und Beton voneinander getrennt sind und unterschiedliche Erfahrungshintergründe haben? Nun, so risikoreich das Unterfangen auch war, es war am Ende eine wunderbare Aufgabe. Warum also nicht? Warum nicht alles dafür tun, das scheinbar schwierige Projekt in einen gemeinsamen Sieg zu verwandeln? Deshalb wurde der Werbespruch »Just do it!« unser Motto, und wir machten uns ans Werk.
Dabei teilten wir uns die Arbeit von Anfang an, lasen viele der Texte parallel und sprachen dann am Telefon darüber oder schrieben uns Briefe. Wir beleuchteten viele Winkel der US-Geschichte und förderten dabei auch bislang unbekannte bittere Wahrheiten zutage. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stand die wissenschaftliche Arbeit des US-Historikers und Bürgerrechtlers Howard Zinn (1922–2010), dessen bedeutendstes Werk »A People’s History of the United States« uns viele Informationen an die Hand gab und unsere Arbeit sehr stark beeinflusste. Uns ging es nicht nur um eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der USA, sondern mit der des US-Imperiums und darum, welche Auswirkungen sie auf die Entwicklung der Welt hat.
Mit »Murder Incorporated: Dreaming of Empire«, dem ersten Band über die frühe Geschichte der USA, haben wir unsere Arbeit erst aufgenommen, aber es werden schon bald zwei weitere Bände folgen, die auf dem ersten aufbauen. Ich denke – das heißt, wir denken, dass Howard Zinn stolz darauf wäre.
Übersetzung: Jürgen Heiser