Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 18 vom 22. Januar 2018: Bitte HIER klicken![1]
Kriegerin für Gerechtigkeit
Irgendwie kam einem der Name bekannt vor, als er kürzlich über die US-Nachrichtenkanäle lief: Erica Garner … Erica Garner? Ihr Name und die Person, deren Tod gemeldet wurde, erschloss sich einem erst durch den Namen ihres »gefallenen« Vaters; gefallen im Krieg der Polizei gegen die schwarze Bevölkerung: Eric Garner.
Eric Garner war von Polizisten attackiert worden, weil er auf einer Straße in Staten Island, New York, »Lucys« verkaufte, einzelne Zigaretten, die an Kiosken oder auf der Straße von fliegenden Händlern angeboten werden. Der Cop nahm Garner in den Schwitzkasten, ein nach den Polizeivorschriften verbotener Griff, der seit dem Vorfall »Todesschwitzkasten« genannt wird.
Seine Tochter Erica Garner nahm nach dem Tod ihres Vaters den Kampf für Gerechtigkeit auf. Ihre Mutter Esaw nannte sie seitdem liebevoll ihre »Kriegerin«.
Eric Garner wurde von einem bewaffneten Erfüllungsgehilfen der Staatsgewalt ermordet. Die Videoaufnahme, die im Juli 2014 nach dem tödlichen Angriff auf ihn im Internet kursierte, ist so erschreckend wie aufschlussreich. Man sieht und hört, wie ein Afroamerikaner von großer Gestalt die ihn umringenden Polizisten fragt, warum sie ihn belästigen. Wie Schmeißfliegen an ihrem Fraß, so kleben die Cops an dem harmlosen Straßenverkäufer und bedrängen ihn, als sie ihn durchsuchen wollen. Er ist sichtlich genervt, beschwert sich über die dauernden Kontrollen und Festnahmen, wie er sagt, bleibt jedoch ruhig. Er macht nur vorsichtig einen Schritt zurück, hat ein Schaufenster im Rücken und fragt wieder und wieder, warum sie ihn nicht in Ruhe lassen können.
Plötzlich drängt sich der kleinste aus dem uniformierten Greiftruppe nach vorn, der für sein rassistisches Verhalten bekannte Beamte Daniel Pantaleo. Er stürzt sich auf Garner, reißt ihn mit Hilfe seiner Kollegen zu Boden und legt seine Arme mit der Gewalt eines Schraubstocks um den Hals seines Opfers. Eric Garner versucht noch mit heiserer Stimme etwas zu sagen, schafft es aber nur noch, mehrfach seinen letzten Satz hervorzupressen: »Ich krieg’ keine Luft mehr! Ich krieg’ keine Luft mehr!« Dann bleibt er regungslos liegen.
Erica kämpfte jahrelang verbissen darum, dass ihrem Vater Gerechtigkeit widerfahren möge, und schloss sich der Bewegung »Black Lives Matter« an. Wie ihre Mutter und drei Geschwister musste sie es ertragen, dass gegen Pantaleo zwar im September 2014 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, die Geschworenen einer Grand Jury in der Voruntersuchung des Todesfalles jedoch zu dem Schluss kamen, es gebe »keinen begründeten Anlass für die Erhebung einer Anklage«. Angeklagt und bestraft wurde hingegen Ramsey Orta, der den Tod Garners als zufällig hinzugekommener Zeuge gefilmt und die Aufnahmen veröffentlicht hatte.
Schon seit einiger Zeit litt Erica Garner zunehmend an Herzproblemen und Asthma; auch sie bekam häufig »keine Luft mehr«. Dann setzte plötzlich ihr Herz ganz aus, und sie fiel ins Koma. Bald darauf trat Erica Garner, 27 Jahre jung, ihren letzten Gang an, um sich auf ewig in die Arme ihres geliebten Vaters zu begeben. Offiziell hieß es, sie sei einem »Herzanfall« erlegen. Mir scheint es indes eher zutreffend zu sagen, dass sie an einem gebrochenen Herzen gestorben ist.
Übersetzung: Jürgen Heiser