Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 67 vom 20. März 2017: Bitte HIER klicken![1]
Anwältin des Volkes
Nach 78 Wintern ist Lynne Stewart am 7. März 2017 in ihrem geliebten Brooklyn in New York im Kreis ihrer Familie gestorben. Sie war im Gefängnis an Brustkrebs erkrankt und hatte nach ihrer vorzeitigen Entlassung mutig gegen die Krankheit gekämpft. Aber das war nur ein Kampf von vielen, die sie geführt hat. Wie die meisten von uns hat sie einige gewonnen und andere verloren. Aber niemals hat sie aufgehört zu kämpfen!
Jahrzehntelang haben sie und ihr Mann Ralph sich in New York für politische Aktivisten und Revolutionäre eingesetzt, wie die Black Panthers und die Young Lords, eine puertoricanische sozialistische Organisation. Am meisten aber kämpften sie für die Freiheit der Armen und Besitzlosen in New Yorks Ghettos der Schwarzen und Latinos. Vor allem vor den Gerichten der Stadt führten Lynne und Ralph wichtige Schlachten für die Gerechtigkeit.
Lynnes Ehemann Ralph war ein unerschütterlicher Unterstützer der Black Panther Party und auch der engagierteste Verteidiger seiner Ehefrau. Im Jahr 2002 geriet Lynne ins Fadenkreuz des US-Justizministeriums und wurde 2009 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie eine Presseerklärung für ihren Mandanten, den aus Ägypten stammenden blinden muslimischen Geistlichen Scheich Omar Abdel Rahman, veröffentlicht hatte. Abdel Rahman war 1995 zusammen mit neun Mitangeklagten wegen eines Bombenanschlags im Jahr 1993 auf das World Trade Center zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Lynne sagte zu den Vorwürfen gegen sie in einem Interview: »Ich habe nichts anderes gemacht, als im Namen meines Mandanten eine Presseerklärung herauszugeben. Die Justiz behauptet nun, ich hätte damit ›materiell eine terroristische Vereinigung unterstützt‹. Und da die Justiz nun im Nachgang zu dieser Beschuldigung gegen mich auch viele andere Anwälte wegen desselben Delikts angeklagt hat, scheint dieser Pauschalvorwurf grenzenlos anwendbar zu sein«. Nach Lynnes Verhaftung stand Ralph wochenlang in der Sommerhitze mit einem Plakat vor dem Weißen Haus in Washington und forderte die Freilassung seiner Frau.
Mit der Art und Weise, wie Lynne ihren Mandanten verteidigt hat, stand sie in der besten Tradition engagierter Anwälte, und sie erhielt dafür sehr viel Unterstützung von einem Großteil der Anwaltskammer, aber nicht aus der Richterschaft. Das US-Bundesberufungsgericht für den 2. Bezirk hob ihr ursprüngliches Urteil von 28 Monaten Gefängnis wieder auf und verwies das Verfahren zur Neuverhandlung an das zuständige Bundesgericht zurück. Im zweiten Prozess wurde sie dann zu zehn Jahren verurteilt!
Doch ihre Gegner erreichten damit das Gegenteil – die solidarische Unterstützung für Lynne Stewart wuchs weiter an. Der verstorbene politische Aktivist und Bürgerrechtsanwalt William Kunstler (1919–1995), der Mandanten wie Martin Luther King, Malcom X, Bobby Seale und Assata Shakur verteidigt hatte, vertrat die Meinung, dass Verteidiger die Pflicht haben, sich voll in den Dienst ihrer Mandanten zu stellen und nicht in den Dienst der Gerichte. Lynne Stewart war so eine Verteidigerin, die stets fest an der Seite ihrer Mandanten stand. Eine Anwältin des Volkes, geliebt und respektiert. So werden wir sie für immer in Erinnerung behalten.
Übersetzung: Jürgen Heiser