Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 49 vom 27. Februar 2017: Bitte HIER klicken![1]
Legal, aber nicht rechtens
Aus der »Black Lives Matter«-Bewegung ist »Laws for Black Lives« (L4BL, Gesetze für schwarze Leben) hervorgegangen, ein Kollektiv, das aus Anwälten, Jurastudenten, rechtskundigen Gefangenen, sogenannten Jailhouse Lawyers, und sonstigen im juristischen Bereich Arbeitenden besteht. Sie alle haben sich die Unterstützung der jüngsten Neuauflage der schwarzen Freiheitsbewegung auf die Fahnen geschrieben.
Der Zeitpunkt für die Gründung dieser Initiative hätte nicht günstiger gewählt sein können. Gesellschaftliche Basisbewegungen können jede nur mögliche juristische Unterstützung gebrauchen. Wer gegen das System weißer Vorherrschaft und der rasch um sich greifenden Angst vor dunkelhäutigen Menschen, genannt Negrophobie, opponiert, gerät sehr schnell ins Fadenkreuz ebendieses Systems und wird oft besonders hart bestraft.
Einer der vielleicht bekanntesten schwarzen Juristen in der US-Geschichte ist Charles Hamilton Houston (1895–1950). Er bildete unter anderem Thurgood Marshall, Richter am Obersten Gerichtshof der USA, in den Rechtswissenschaften aus. Houston erklärte einmal seinen Studenten: »Ein Jurist ist entweder ein Sozialingenieur oder er ist ein Parasit der Gesellschaft.«
Marshall, Houstons Meisterschüler und als erster Afroamerikaner zum Richter am Obersten Gerichtshof in Washington D.C. berufen, erinnerte sich gut an einen der Lehrsätze seines Juraprofessors: »Das Gesetz ist nicht auf unserer Seite? Dann lasst uns selbst die Gesetze schaffen!« Genau diese Aufforderung möchte ich auch an L4BL weitergeben: »Lasst uns selbst die Gesetze schaffen!« Allerdings möchte ich dem noch die Worte eines Jailhouse Lawyers hinzufügen: »Das Gesetz ist ein Instrument des Staates, das häufig im Interesse repressiver Herrschaft eingesetzt wird.«
Wo sind die Juristen, die ungerechte und verfassungswidrige Gesetze angreifen wie das von Ex-US-Präsident William Clinton 1995 durch den US-Kongress gepeitschte AEDPA-Gesetz (»Antiterrorism and Effective Death Penalty Act«)? Es verschärfte die Todesstrafengesetzgebung und erschwerte es Gefangenen, ihre Haftgründe überprüfen zu lassen. Und wer bringt das ebenfalls unter Clinton verabschiedete Gesetz »Prison Litigation Reform Act« (PLRA) wieder zu Fall, das dazu dienen sollte, die steigende Zahl erfolgreicher Haftklagen von Gefangenen vor den Bundesgerichten zu reduzieren? Schließlich wurden diese neuen Rechtsnormen bewusst so konzipiert, dass mit ihnen Unrecht in Gesetzesform gegossen wird.
Die Schwulenbewegung brachte im Kampf um ihre Rechte das 1996 erlassene Gesetz »Defense of Marriage Act« (DOMA) wieder zu Fall. DOMA definierte die Ehe als ausschließliche rechtliche Verbindung nur zwischen Mann und Frau. Die beharrliche Kampagne gegen DOMA bewirkte, dass der Oberste Gerichtshof es 2013 für verfassungswidrig erklärte, weil es den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Es ist deshalb längst an der Zeit, dass die schwarze Freiheitsbewegung Gesetze wie AEDPA und PLRA wieder zu Fall bringt, die beide auf Lügen und Unrecht basieren und zu den Masseninhaftierungen der letzten 20 Jahre beigetragen haben.
Ich habe bereits einen hervorragenden Juraprofessor zitiert und möchte deshalb noch einen Outlaw, einen »Gesetzlosen«, zitieren, den revolutionären Naturalisten John Africa von der Move-Organisation. Dieser Mann wurde am 13. Mai 1985 umgebracht, als der Staat das Haus, in dem er in Philadelphia mit anderen Move-Mitgliedern lebte, mit einer Bombe in Brand setzte. John Africa lehrte die Move-Mitglieder: »Wenn etwas legal ist, ist es noch lange nicht rechtens. Erinnert euch, der Holocaust war ›legal‹. Die Sklaverei, eines der größten Verbrechen an der Menschheit, war ›legal‹. Die Masseninternierungen von japanischstämmigen US-Amerikanern (während des Zweiten Weltkriegs; jW) war ›legal‹, wie der Oberste Gerichtshof im Fall ›Korematsu gegen Vereinigte Staaten‹ entschied. All das war ›legal‹, aber war es deshalb auch rechtens?«
Lasst uns deshalb mit L4BL für unser Recht kämpfen – für Freiheit, nicht für Masseninhaftierungen. Für Gerechtigkeit, nicht für Repression. Denn wenn »schwarze Leben zählen«, dann müssen auch ausnahmslos alle schwarzen Leben zählen – auch die hinter Gittern.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Infos: http://www.law4blacklives.org/[2]