Link zum Artikel in junge Welt Nr. 90 vom 18./19. April 2015: Bitte HIER klicken![1]
Zeichen des Mitgefühls
Im US-Bundesstaat New Jersey sprach eine Grundschullehrerin vergangene Woche mit ihren Drittklässlern darüber, wie wichtig es sei, anderen Menschen sein Mitgefühl zu zeigen. Sie erzählte den schwarzen und hispanischen Kindern von der Lebenssituation eines kranken Gefangenen. Viele der Kinder haben selbst Angehörige im Gefängnis. Und so kam die Idee auf, bunte Postkarten für den Erkrankten zu malen und ihm gute Besserung zu wünschen.
Normalerweise wäre die junge Lehrerin Marylin Zuniga für ihr Engagement von der Schulleitung gelobt worden. Das Problem ist nur, dass der Kranke nicht irgendein Insasse ist, sondern der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal. Wohl weil Zuniga im Internet schrieb, »meine Drittklässler haben dem kranken Mumia geschrieben, um ihn aufzumuntern«, bekammen die Medien davon Wind. Sie stürzten sich auf die Lehrerin und kreideten ihr an, ihre Schüler Karten »an einen Polizistenmörder« schreiben zu lassen. Nur Stunden nach Bekanntwerden der Pressemeldungen suspendierte die für die Forest-Street-Elementary-School der Kleinstadt Orange zuständige Behörde Zuniga vom Dienst und drohte ihr die Kündigung an.
Für den erkrankten Abu-Jamal bedeutete die Zuwendung der Kinder sehr viel in seiner Isolation auf der Krankenstation des Staatsgefängnisses SCI Mahanoy in Pennsylvania. Trotz der ausbleibenden angemessenen medizinischen Behandlung seines akuten Diabetes ließen ihn die bunten Karten wieder einmal lachen, wie Besucher berichteten.
Als Noelle Hanrahan von Prison Radio in San Francisco von Zunigas Suspendierung hörte, erinnerte sie in einem Rundschreiben an die Haft der Kommunistin Angela Davis. Sie war Anfang der 1970er Jahre unter Kaliforniens Gouverneur Ronald Reagan ins Gefängnis geworfen worden. Davis erhielt damals neben Solidaritätspost aus aller Welt von Abertausenden Schulkindern aus der DDR Karten mit dem Aufdruck »Eine Million Rosen für Angela Davis«. Nur wenige dieser Grüße seien zu der politischen Gefangenen durchgedrungen, erklärte Hanrahan, aber »als Symbol der Liebe und Solidarität überwanden sie nationale Grenzen und Gefängnismauern«.
Larry Hamm, Vorsitzender der »People’s Organization for Progress« ergriff am Montag auf einer Veranstaltung über Polizeigewalt in Newark das Wort für die Lehrerin und forderte die etwa 500 Anwesenden auf, am Dienstag die Sitzung des Bildungsausschusses von Orange zu besuchen, um Zunigas Kündigung zu verhindern. »Wir müssen diese junge Frau unterstützen, weil sie ihren Kindern nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch, was es bedeutet, ein mitfühlender Mensch zu sein«, betonte Hamm. »Sie hat das Herz am rechten Fleck!«
So kam es, dass sich der Bildungsausschuss am Mittwoch abend (Ortszeit) einem mit rund 100 Zuniga- und Mumia-Unterstützern gefüllten Saal gegenübersah. Am offenen Mikrophon erläuterten die Besucher ihre Position und skandierten »Lasst sie weiter unterrichten!« Nach kurzer interner Beratung erklärte der Ausschuss schließlich unter dem Jubel der Unterstützer, Zuniga werde nicht gekündigt, erhalte ihr Gehalt weiter und bleibe nur noch bis zu einer abschließenden Beratung vom Dienst freigestellt. Hamm kommentierte den Erfolg: »Marilyn ist unsere Heldin. Wir stehen weiter hinter ihr!«
Jürgen Heiser