Kolumne # 831 vom 21.11.2016: Vergeltung und Verrat

21.11.16 (von maj) Nach seinem ersten Wahlkampf und dem siegreichen Abschluss schnappt sich Donald J. Trump das goldene Zepter der Macht, die höchste politische Auszeichnung im Staate. Er hat schreibt damit in den Vereinigten Staaten von Amerika Geschichte

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 272 vom 21. November 2016: Bitte HIER klicken![1]

Vergeltung und Verrat
Die Präsidentschaftswahl in den USA hat viele Menschen im Land in Verzweiflung gestürzt. Sie sind entsetzt über den Ausgang und werden von Angst und Sorge erfasst. Alle Befürchtungen sind plötzlich bittere Realität geworden. Es ist ein Kandidat gewählt worden, obwohl seine sexistischen Sprüche auf Band festgehalten und allen zur Kenntnis gebracht wurden und obwohl er Gedanken von sich gab, mit denen er eine verhängnisvolle Hasskampagne gegen Mexikaner und Muslime lostrat. Es ist ein Kandidat gewählt worden, der mit jedem seiner Auftritte eine Endzeitstimmung zu verkörpern schien. Und trotzdem wurde er gewählt.
Nach seinem ersten Wahlkampf und dem siegreichen Abschluss schnappt sich Donald J. Trump das goldene Zepter der Macht, die höchste politische Auszeichnung im Staate. Er hat schreibt damit in den Vereinigten Staaten von Amerika Geschichte. Dieser Präsidentschaftswahlkampf hat die Politik in den USA wohl oder übel verändert.
Es muss dazugesagt werden, dass in der Bevölkerung große Unzufriedenheit über die soziale und wirtschaftliche Lage herrscht, die dabei eine Rolle gespielt hat. Sie ist unter anderem eine Folge des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zwischen Mexiko, Kanada und den USA, das 1994 in der Ära des damaligen US-Präsidenten William »Bill« Clinton in Kraft trat.
Aber damit ist noch nicht alles erklärt. Die Wahlkampagne des Republikaners Trump war nicht nur von Angstmache geprägt, sondern auch vom Erzeugen eines tiefgreifenden Massenwahns und von Rachegefühlen dafür, dass die Vereinigten Staaten heute nicht mehr groß dastehen, sondern finstere Zeiten durchleben.
Wenn Trump das Sinnbild für diese Sucht nach Vergeltung ist, dann ist seine unterlegene Gegenkandidatin Hillary Rodham Clinton die Verkörperung des Verrats an den Wählerinnen und Wählern. Jede Stimme, die für die beiden Amtszeiten ihres Ehemanns Bill Clinton abgegeben wurde – egal ob von Schwarzen, Schwulen oder wem auch immer –, war eine Stimme für den in dieser Zeit durchgesetzten Angriff auf die Bürgerrechte. Die Clintons traten für Gesetzte ein wie das »Defense of Marriage Act« (DOMA), das besagt, dass kein US-Bundesstaat oder andere politische Teilkörperschaft innerhalb der Vereinigten Staaten eine Verbindung zwischen Menschen gleichen Geschlechts als Eheschließung behandeln oder Rechte daraus gewähren muss. Oder das »Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und zur effektiven Anwendung der Todesstrafe« (Antiterrorism and Effective Death Penalty Act – AEDPA), das seit 1996 die Hürden für Haftprüfungen erhöht hat. Oder das Freihandelsabkommen NAFTA, das anfangs immerhin auch Unterstützung aus der Arbeiterschaft erfuhr. All diese Gesetze und Abkommen stellten einen Verrat an der Wählerschaft dar. Das sind in der Tat finstere Zeiten in Babylon: Auf der einen Seite die Politik der Vergeltung, auf der anderen die Politik des Verrats – Was sind das für Alternativen? Aber ich beobachte das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Warum ein lachendes Auge? Nun, weil auch das zu Ende gehen wird.

Übersetzung: Jürgen Heiser


Links im Artikel: 1
[1] https://www.jungewelt.de/2016/11-21/025.php?sstr=vergeltung%7cund%7cverrat

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1473.html
Stand: 19.03.2024 um 09:50:23 Uhr