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Gegen moderne Sklaverei
Von Jürgen Heiser
Einer der Mitinitiatoren des nunmehr in die achte Woche gehenden Arbeitskampfes im US-Gefängnissystem ist in den Hungerstreik getreten. Das wurde nun öffentlich. Auf Nachfrage der Nachrichtenplattform AL.com bestätigte Bob Horton, Sprecher der Gefängnisbehörde Alabama Department of Corrections (DOC), am vergangenen Donnerstag, Robert Earl Council, Insasse des Limestone-Gefängnisses, verweigere die Nahrungsaufnahme. Der Gefangene werde »medizinisch betreut und täglich gewogen«. Als Grund für seinen Hungerstreik habe er angegeben, er sei »um seine Sicherheit besorgt«.
Der 42jährige Council, 1995 zu »lebenslänglich« verurteilt und über Jahre in Isolationshaft gehalten, saß ursprünglich im Holman-Gefängnis in Atmore ein und gehörte dort zu den Organisatoren des »Streiks gegen die Sklavenarbeit«. Das »Free Alabama Movement« (FAM), das den Ausstand unterstützt, erklärte, Councils Hungerstreik richte sich gegen seine am 21. Oktober erfolgte Zwangsverlegung nach Limestone, einen »Racheakt« der Behörden. DOC-Sprecher Horton wollte dies nicht kommentieren, seine Behörde benenne »die Gründe für die Verlegung eines Insassen aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich«. Kenneth Glasgow, Sprecher des FAM, erklärte, mehrere Gefangene in Holman und Limestone seien ebenfalls in den Hungerstreik getreten und forderten Councils Rückverlegung.
Wie der Bericht von AL.com zeigt, bricht das bislang einhellige Schweigen der Mainstreammedien über die Arbeits- und Hungerstreiks hinter Gittern langsam auf. Seit 9. September kämpfen die Inhaftierten für gerechte Bezahlung sowie weitere Verbesserungen ihrer Haftbedingungen. Auch die Los Angeles Times thematisierte am Freitag (Ortszeit) in ihrer Onlineausgabe den in mindestens 22 US-Bundesstaaten von einigen zehntausend Insassen getragenen Ausstand. Er habe »gute Chancen, Veränderungen zu erreichen«. Rund eine Million Häftlinge sind in den USA zur Knastarbeit gezwungen und werden nur symbolisch oder gar nicht dafür entlohnt.
Wegen der um sich greifenden Unruhe in den Haftanstalten und der wachsenden Solidaritätsbewegung sieht sich nun auch das US-Justizministerium alarmiert. Laut Los Angeles Times läuft derzeit eine Untersuchung zur Frage der Verletzung der Bürgerrechte von Inhaftierten in Alabama. Es solle ermittelt werden, »ob die Häftlinge angemessen vor körperlichen Schäden und sexuellem Missbrauch durch Mitgefangene und vor unverhältnismäßiger Gewalt und sexuellem Missbrauch durch Anstaltsbedienstete geschützt sind«.
Der ausführliche Zeitungsbericht erläuterte die Situation in Alabama, dem Zentrum der Streikbewegung, anhand des zu lebenslanger Haft verurteilten David Bonner, der in den vergangenen 29 Jahren Flure geschrubbt, in der Anstaltskantine gearbeitet habe und aktuell Aluminiumblech für Autokennzeichen zuschneide. »Wir sind gezwungen, diese Jobs zu machen, verdienen aber nichts«, so der 51jährige. »Das ist Sklaverei.« Laut Los Angeles Times dringen solche Informationen durch Mobiltelefone an die Öffentlichkeit, die von Unterstützern draußen in die Anstalten geschmuggelt wurden.
Auf diesem Wege wurde auch bekannt, dass im kalifornischen San Jose 300 Häftlinge mit einem zweiwöchigen Hungerstreik die Aufhebung der gegen sie verhängten Einzelhaft erreichten. Über das Kinross-Gefängnis in Michigan meldete der Sender Telesur, Gefangene seien von dort in die Isolationszellen einer anderen Anstalt verlegt worden, weil sie gegen den Überfall »schwerbewaffneter Wärter« protestierten, die Tränengas in ihren Trakt geschossen und »angebliche Rädelsführer zusammengetrieben« hatten. Seit dem Vorfall seien »drei Insassen unter ungeklärten Umständen gestorben«.
Alex Friedmann, Herausgeber der Prison Legal News und früher selbst zehn Jahre lang in Haft, sagte dem britischen Guardian, der nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg erlassene 13. Zusatzartikel zur US-Verfassung habe »die Sklaverei nicht wirklich abgeschafft«, da er die Zwangsarbeit für Strafgefangene als Ausnahme zulasse. Der Ausstand sei deshalb »Teil einer wachsenden Bewegung unter den 2,3 Millionen eingesperrten Menschen in den Vereinigten Staaten, vergleichbar mit der Bürgerrechtsbewegung und dem Kampf um gleiche Rechte für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle«.