Kolumne # 826 vom 17.10.2016: Ende der Isolation – nach 36 Jahren

17.10.16 (von maj) Nach 36 Jahren ordnete ein US-Bundesrichter an, den Gefangenen Arthur »Cetewayo« Johnson sofort aus der Isolationshaft in den Normalvollzug zu verlegen

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 242 vom 17. Oktober 2016: Bitte HIER klicken![1]

Ende der Isolation – nach 36 Jahren
Über seiner Zellentür hängt ein weißes Pappschild mit dem Namen Arthur Johnson und seiner Gefangenennummer. Wegen Mordes hatte ein Gericht den heute 64jährigen im Alter von 18 Jahren zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt. Hinter Gittern politisierte er sich durch die Einflüsse der schwarzen Freiheitsbewegung. Seit Ende Dezember 1979 hat Johnson ein halbes Dutzend Haftanstalten in Pennsylvania durchlaufen. Eines war überall gleich: Er wurde in Isolationshaft gehalten, nachdem ein Fluchtversuch gescheitert war.
Als er aus dem Gefängnis zu flüchten versuchte, war der Demokrat James »Jimmy« Carter noch US-Präsident, Dustin Hoffman und Meryl Streep waren gerade für ihre Rollen in dem Film »Kramer gegen Kramer« mit mehreren Oscars ausgezeichnet worden, und eine strahlende Sally Field hatte einen Oscar für ihr Darstellung der heldenhaften Gewerkschafterin »Norma Rae« verliehen bekommen. In der Presse machte Ende März 1979 der Unfall im Atomkraftwerk »Three Mile Island« nahe Harrisburg, der Hauptstadt Pennsylvanias, Schlagzeilen.
Von diesem Jahr bis heute befand sich Arthur (unter seinen Mitgefangenen besser bekannt als Cetewayo, dem Namen eines afrikanischen Zulukriegers) in Isolationshaft – über 36 Jahre, im kommenden Dezember hätte das 37. Jahr begonnen. Doch vor etwa drei Wochen bewertete ein US-Bundesrichter die unbegrenzte Isolierung Johnsons als verfassungswidrig und ordnete seine sofortige Verlegung in den Normalvollzug an. Der vorsitzende Richter Christopher C. Connor vom Berufungsgericht des mittleren Bezirks Pennsylvanias erließ eine außergewöhnliche einstweilige Verfügung gegen das »Department of Corrections« (DOC), die Gefängnisbehörde Pennsylvanias. In seinem 26 Seiten umfassenden Beschluss erklärte Connor im wesentlichen folgendes: In den vergangenen 36 Jahren habe das DOC »Mr. Johnson in Einzelhaft gehalten – wobei seine gesamte Existenz für mindestens 23 Stunden am Tag auf einen Bereich beschränkt war, der weniger Platz bot als eine Pferdebox. Erstaunlicherweise erträgt Mr. Johnson diese Haftverschärfung, obwohl er sich mehr als ein Vierteljahrhundert lang keine größeren disziplinarischen Verstöße hat zuschulden kommen lassen.«
Arthur »Cetewayo« Johnson wurde in seinem Zivilprozess von Rechtsanwalt Bret Grote und dem »Abolitionist Law Center« in Pittsburgh vertreten. Nach der erfolgreichen Klage wird sein lang andauernder Alptraum einer grausamen und sehr ungewöhnlichen Bestrafung nun endlich ein Ende finden. Connors Entscheidung ist eine schonungslose Anklage gegen die Gefängnisbehörde und die kafkaesken Grausamkeiten, die sie unter der Überschrift »Strafvollzug« begeht, um Menschen angeblich »zu bessern«. Einzelhaft. Isolation im »Loch«. 36 Jahre lang! Warum? Weil sie es können! Punkt.
Als der Richter den Vertretern der Gefängnisbehörde in der Anhörung die Frage stellte, welche mentalen Auswirkungen eine derartige Isolierung auf Johnson ihrer Meinung nach habe, antworteten die Beamten, es ginge ihm gut, er habe ja ein Fenster in seiner Zelle mit Ausblick auf die Käfige im Gefängnishof (kleine Stahlkäfige, in denen isolierte Häftlinge wie er zum »Hofgang« allein für eine Stunde am Tag eingesperrt werden; jW). Das letzte Wort in dieser Sache sollte deshalb Richter Connor haben, der am Ende seines Beschlusses schrieb: »Nach 36 Jahren Isolation verdient es Mr. Johnson, dass er Gelegenheit bekommt, anderen Menschen als seinen Anwälten die Hände zu schütteln.«

Übersetzung: Jürgen Heiser


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Stand: 23.11.2024 um 15:46:17 Uhr