Link zum Artikel in junge Welt Nr. 219 vom 19. September 2016: Bitte HIER klicken![1]
Mit den Methoden der Sioux
In den USA nehmen die Proteste gegen den Bau der »Dakota Access Pipeline« für Erdöl zu. Allein in der vergangenen Woche fanden mehr als 200 Demonstrationen und Kundgebungen mit Tausenden Teilnehmern in fast allen der 50 US-Bundesstaaten statt, meldete das umweltpolitische Internetportal EcoWatch.
Mit der 1.900 Kilometer langen Rohrleitung soll ab 2017 durch Fracking gewonnenes Rohöl von North Dakota, im Norden an der Grenze zu Kanada gelegen, über South Dakota und Iowa bis nach Illinois und von dort über bestehende Pipelines bis an den Golf von Mexiko transportiert werden. Dagegen leisten vor allem die Standing-Rock-Sioux Widerstand. Seit Monaten verteidigen die Ureinwohner ihre Grab- und Kultstätten gegen das weitere Vordringen der Planierraupen auf das Gebiet ihres Reservats. Gleichzeitig treten sie für die Sicherung der Versorgung mit sauberem Wasser ein. Nachdem die Sioux mit Unterstützung von rund 200 Stämmen aus den USA, Kanada und Lateinamerika einen vorläufigen Baustopp für ihr Reservat und die Trinkwassertalsperre Oahe des Missouri River durchsetzen konnten (jW berichtete), weitete sich der Widerstand auf das ganze Land aus. Im Zentrum steht dabei die grundsätzliche Ablehnung der durch Fracking forcierten Ausbeutung und Nutzung fossiler Brennstoffe.
Das Thema hat inzwischen auch den Präsidentschaftswahlkampf erreicht. Auf einer Kundgebung vor dem Weißen Haus in Washington schloss sich Senator Bernard »Bernie« Sanders am Dienstag den Reden der Stammesführer an und forderte zur Solidarität mit den Ureinwohnern auf. »Wir dürfen einer Handvoll fossiler Energieunternehmen nicht erlauben, unser Trinkwasser zu vergiften, um mehr Profite zu machen.« Der einstige Präsidentschaftsaspirant rief Staatschef Barack Obama auf, das Bauprojekt einer strengen Umweltverträglichkeitsanalyse zu unterziehen: »Diese Pipeline muss gestoppt werden!« Tara Houska von »Honor the Earth« wertete das Pipelineprojekt auf der Kundgebung in der Hauptstadt als »eine Verletzung der Menschenrechte und der Rechte der Ureinwohner«. Es dürfe deshalb auf keinen Fall realisiert werden. Der Navajo Kandi Mossett vom »Indigenous Environmental Network« erklärte, es sei nie darum gegangen, nur einen Abschnitt der Pipeline zu verhindern, sondern deren Bau insgesamt.
Hillary Clinton und Donald Trump, die als Kandidaten der Demokraten bzw. Republikaner um das Präsidentschaftsamt ringen, haben sich beide bislang nicht öffentlich auf das Thema eingelassen. Von Trumps designiertem Energieminister Harold Hamm ist nach Recherchen von EcoWatch bekannt, dass er ein »Ölprofiteur ist, der Wasser, Farmland und Gemeinden in North und South Dakota und weiter flussabwärts ausbeutet«, wie Angie Carter vom Women, Food and Agriculture Network erklärte. Das Netzwerk gehört einem Bündnis von 30 Gruppen in Iowa an, das die Pipeline verhindern will.
Das versuchen Ureinwohner und Umweltaktivisten seit vergangener Woche auch außerhalb der Standing-Rock-Reservation, indem sie die Arbeiten in den nicht vom Baustopp betroffenen Abschnitten mit den bereits von den Sioux erfolgreich eingesetzten Methoden behindern. Wie das Nachrichtenportal The Stranger meldete, nahm die »in voller Kampfmontur« aufmarschierte Polizei allein am Dienstag im 130 Kilometer vom Reservat entfernten Morton County 22 Personen fest, die zu einer Menge gehörten, die sich dort den Baumaschinen entgegengestellt hatte. Zwei Demonstranten hatten sich an Planierraupen gekettet. Den Pipelinegegnern drohen nun Verfahren wegen »unbefugten Betretens« des Baugeländes sowie »ordnungswidrigen Verhaltens« und »Behinderung eines Polizeieinsatzes«. Behördensprecher Rob Keller erklärte, die polizeilichen Maßnahmen auf dem Baugelände würden fortgesetzt. Seit Beginn der Proteste seien insgesamt 60 Personen festgenommen worden. Am Donnerstag meldete das US-Rundfunkmagazin Democracy Now!, am Vortag seien weitere acht Aktivisten nahe Almont in Morton County von der Polizei abgeführt worden, weil sie die Baustelle lahmgelegt hatten. Sie sollen wegen »grob fahrlässiger Gefährdung« angeklagt werden. Darauf stehen als Höchststrafe fünf Jahre Gefängnis.