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Aufhören, Sklaven zu sein
Ein landesweiter Streik gegen die im gefängnisindustriellen Komplex der USA übliche Ausbeutung durch äußert gering oder gar nicht bezahlte Zwangsarbeit hat sich auf vierzig Anstalten in 24 US-Bundesstaaten ausgebreitet, wie Gefangene und unterschiedliche Quellen im Internet melden. Die Arbeitsstreiks und Protestaktionen begannen am 9. September, dem 45. Jahrestag des Aufstands im Staatsgefängnis Attica im Norden des US-Bundesstaats New York.
Nach Streiks in verschiedenen Landesteilen der USA seit 2015 hatte ein von Bürgerrechts- und Solidaritätsgruppen unterstütztes Häftlingskomitee seit Anfang April zu dem »landesweit koordinierten Arbeitsstreik gegen die Sklaverei in den Gefängnissen« aufgerufen (jW berichtete). Die Gefangenen erklärten, sie wollten nicht länger an ihre »Kerkermeister« appellieren, sondern selbst »handeln, indem wir aufhören, Sklaven zu sein«. Die Stärke der Gefangenen sei, dass der Staat ohne ihre Mitwirkung »die Knastfabriken nicht betreiben« könne. Ihr klare Hauptforderung: Sie wollten in Zukunft »als Menschen und nicht mehr als Sklaven« behandelt werden.
Bestätigungen von offizieller Seite über Orte und Anzahl von Streikbeteiligungen gab es seit vergangenem Freitag kaum. Die Justizbehörden von Florida meldeten laut Miami Herald »Störungen« in zwei Staatsgefängnissen. Ohne Details zu nennen, räumte Michelle Glady, Sprecherin der Gefängnisbehörde, Streikaktivitäten in den beiden Staatsgefängnissen Gulf in Wewahitchka sowie Mayo im gleichnamigen Ort ein. Außerdem seien ihr »geringfügigere Unruhen in anderen Gefängnissen« Floridas gemeldet worden. Diese hätten von »einer Handvoll Häftlinge, die die Arbeitsaufnahme verweigerten, bis zu größeren Revolten« gereicht.
Gladys Darstellung vermittelte jedoch den Eindruck, als habe es sich um einen »nationalen Aktionstag« gehandelt, also um keinen auf längere Dauer angelegten Streik, wie von den Organisatoren geplant. Das könnte insofern als zutreffend bezeichnet werden, als auf die Verweigerung der Arbeitsaufnahme in den Anstalten des »Sunshine State« im Südosten der USA mit sofortigem Totaleinschluss reagiert wurde. Seitdem durfte kein Häftling mehr seine Zelle verlassen. Der Einschluss in den Haftanstalten ist vergleichbar mit der Aussperrung von Streikenden durch Firmenleitungen bei Arbeitskämpfen draußen.
Im Holmes-Gefängnis in Talahassee hatten 400 Häftlinge bereits in der Nacht auf vergangenen Donnerstag »rebelliert«, wie der Herald schrieb. Seitdem herrschte in der Einrichtung laut Glady »höchste Alarmstufe«. Das bedeutet, dass dort schon am Freitag Kontaktsperre angeordnet worden war. Verletzte soll es bei der Niederschlagung des nächtlichen Knastaufstands nicht gegeben haben.
Im Südstaat Alabama, wo Zwangsarbeit generell nicht entlohnt wird, sollen zahlreiche Anstalten durch »Streiks, Kantinenboykotte und Proteste« lahmgelegt worden sein. Das erklärte Melvin Ray, Mitbegründer der Gefangenenbewegung »Free Alabama Movement«, in der jüngsten Ausgabe der linken Zeitung Socialist Worker. Ray meldete sich aus einer Isolationszelle des Donaldson-Gefängnisses in Bessemer. Als aktiver Organisator war er mit Einzelhaft bestraft worden. Er habe auch mitbekommen, dass es »außerhalb der Gefängnisse im ganzen Land zahlreiche Demonstrationen gab«. Beispielsweise hatte die Bewegung »Black Lives Matter« zum Streik mit Aktionen gegen die »Krise der Masseninhaftierungen« mobilisiert, die vor allem Schwarze zu Arbeitssklaven hinter Gittern machte.
Dem britische Guardian hatte das »Free Alabama Movement« mitgeteilt, der Streik im Holman-Gefängnis in Atmore sei in der Nacht auf Freitag »eine Minute nach Mitternacht« von vielen Häftlingen aufgenommen worden. Die Bestreikung der dortigen Kantine und einer Anstaltsfabrik für Kfz-Nummernschilder bestätigte Justizsprecher Bob Horton laut AL.com. Er rückte aber nur mit der spärlichen Information heraus, in Holman, »dem Ort, an dem es in den letzten Monaten zu zahlreichen Vorfällen kam«, seien »mindestens 45 Häftlinge in den Streik getreten«. Die »Sicherheit der Anstalt«, die als einzige in Alabama über einen Todestrakt verfügt, sei jedoch »nicht gefährdet«. Sollte der Streik andauern, werde man die Nummernschilderproduktion mit »einem Kontingent von Freigängern aus einem nahe gelegenen Arbeitszentrum des offenen Vollzugs« fortsetzen.