Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 118 vom 23. Mai 2016: Bitte HIER klicken![1]
Widerling oder Karrieristin
Je näher die Präsidentschaftswahl in den USA rückt, desto mehr sehen sich die Stimmberechtigten mit dem Republikaner Donald Trump einem Kandidaten gegenüber, wie er furchtbarer kaum sein kann: anzüglich, laut, streitsüchtig, reich wie Krösus und bis auf die Knochen fremdenfeindlich. Und die Kandidatin der Demokratischen Partei, die vermutlich das Rennen macht, wenn ihr Konkurrent »Bernie« Sanders es nicht noch schafft, das in den nächsten Monaten zu verhindern: Hillary Rodham Clinton. Glatt wie ein Aal, flexibel wie Schaumgummi, der Ehrgeiz in Person und Gattin von William Clinton, dem sprichwörtlich »abgekochtesten politischen Hund« seiner Generation.
Alles läuft also auf eine Schlammschlacht zwischen einem Widerling und einer hinterhältigen Karrieristin hinaus. Das aber bietet Anlass zu großer Sorge. Schließlich wird die Wählerschaft am Ende vor nichts weiter mehr als die Frage gestellt, wer von den beiden weniger hassenswert ist. Es wird bei der Abstimmung also nicht darum gehen, für, sondern gegen jemanden zu stimmen.
Trump trompetet anscheinend bewusst bei jeder Gelegenheit seine Gemeinheit hinaus, um Zeichen zu setzen und zu sagen: »Ich brauche sie alle nicht, die Mexikaner, Schwarzen und Schlitzaugen. Von denen muss keiner für mich stimmen!«
Auf der anderen Seite Hillary Clinton, die Koarchitektin des modernen gefängnisindustriellen Komplexes, die in weitaus mehr Kirchen der afroamerikanischen Gemeinden Ansprachen gehalten hat als der selige Reverend Martin Luther King jr. zu seinen Lebzeiten. Sie hat mit Schwarzen zusammen hausgemachte Schweinskoteletts gegessen, hat die Sklavenbefreierin und Frauenrechtlerin Sojourner Truth (1798–1883) in ihren Reden zitiert und versucht, alte Gospellieder zu singen, um damit schwarze Wähler zu ködern. Leider werden wirklich sehr viele Schwarze ihre Stimme für Clinton abgeben und damit für eine Politikerin, die Schwarzen mehr Schmerzen zugefügt hat als jeder noch so üble Sklavenhalter vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg.
Dank sei den afroamerikanischen Jugendlichen, die es durch das Organisieren der Bewegung »Black Lives Matter« (Schwarze Leben zählen) geschafft haben, gemeinsam mit der Generation ihrer Eltern ein allen unter den Nägeln brennendes gesellschaftliches Thema auf die Tagesordnung zu setzen: die Masseninhaftierungen.
Wähler in den Vereinigten Staaten von Amerika geben gern denen ihre Stimme, die es ihnen leicht machen, und sie stellen keine Forderungen an die Kandidaten. Wähler in anderen Ländern hingegen stellen klare politische Forderungen auf und setzen sie auch durch. Wir in den USA verhalten uns beim Wählen wie Kinder in der Süßwarenabteilung eines Supermarkts. Wir suchen nach den bunten, ins Auge springenden Dingen einer Glitzerwelt wie Müslipackungen, die viel Zucker enthalten. Wenn Hillary Rodham Clinton im November gewählt wird, dann wird das vor allem an schwarzen Wählern liegen, die sie für ihre allseits bekannte repressive Politik auch noch belohnen.
Übersetzung: Jürgen Heiser