Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 113 vom 17. Mai 2016: Bitte HIER klicken![1]
Schwarze Königin
Afeni Shakur wurde am 10. Januar 1947 als Alice Faye Williams in dem staubigen Ort Lumberton im US-Bundesstaat North Carolina geboren. Das kleine schwarze Mädchen wuchs zu einer jungen Revolutionärin heran, die 1971 ihren Sohn Tupac Amaru Shakur zur Welt brachte, der als Rapper und Schauspieler zu einer Ikone der Popkultur wurde.
Wie viele andere Menschen vom Lande und wie viel zu viele Schwarze hielt Afeni Shakur sich in ihrer Jugend für nicht besonders klug und hübsch, eben weil sie schwarz war. Als sie sich dann 1968 in New York der Black Panther Party (BPP) anschloss, schleppte sie immer noch einige dieser Minderwertigkeitskomplexe mit sich herum. Aber ihre Beteiligung an der revolutionären Bewegung der Schwarzen bewirkte in dieser Zeit, dass sich auch ihr Selbstbild radikal veränderte. Dabei war ihr kaum bewusst, wie sie auf andere wirkte, denn wenn sie einen Raum betrat, dann spürte man den spontanen Drang, sich zu erheben. Und sie fragte sich dann wohl, für wen die Leute aufstanden.
Safiya Bukhari, die 2009 mit nur 53 Jahren verstorbene Aktivistin der BPP und Kämpferin der Black Liberation Army, schrieb in ihrem Buch »The War Before« (»Der Krieg davor«) über die schwarze Frau mit der kurzgeschnittenen Afrofrisur: »Inmitten des Chaos, das ich erleben musste, war Afeni Shakur ein Beispiel für Stärke und Würde.« Sie bewegte sich mit einer Anmut, die Safiya als »majestätisch« bezeichnete. Afeni war weitaus mehr als Tupacs Mutter, aber selbst er bemerkte ihre Besonderheit, wie sein klassischer Hit »Dear Mama« zeigte. Darin besang Tupac sie als »schwarze Königin«.
Wie wir alle wurde auch sie von den Dämonen der Zeit geplagt – Drogen, Armut, Obdachlosigkeit. Aber trotz der Armut und obwohl es in ihrem Leben an allem mangelte, zog sie mit Tupac einen stolzen schwarzen Prinzen heran, der in seinem kurzen Leben mit seinen von Feuer und Wut getragenen Rapsongs Millionen junger Menschen erreichte. Mit ihm war sie schon schwanger, als die Polizei das BPP-Hauptquartier in New York überfiel und 21 Mitglieder verhaftete, darunter auch Afeni. Sie und die anderen Panthers wurden erst nach Monaten in Haft freigelassen, nachdem alle Anklagepunkte gegen sie niedergeschlagen worden waren.
Dem Radiomoderator Davey D gab sie dazu 1997 ein Jahr nach Tupacs Tod ein Interview, in dem sie über ihre Zeit bei den Panthers berichtete. »Als ich ihnen 1968 beitrat, kam ich nicht vom Collegecampus wie viele der bekannteren Panthers. Ich kam direkt von den Straßen der South Bronx. Ich gehörte den Disciples Deads an, die so etwas wie die Frauentruppe der Disciples in der Bronx war. Die Panther Party hat viel für mich getan, sie gaben mir Hometraining, wie ich immer sage. Die lehrten mich Lebensgrundsätze, und das sind die Prinzipien, die fast alle Panthers an ihre Kinder weitergaben und an alle, die auf sie hörten. Eins dieser Prinzipien lautete: ›Stiehl dem Volk keinen Penny, keine Nadel und kein Stück Faden‹. Das betraf einfach grundlegende Verhaltensweisen, wie wir mit unseren eigenen Leuten und miteinander umgehen. Das sind die Sachen, die die Leute auch in Tupac wiedererkannten. Innerhalb der BPP versuchten wir, nach diesen Prinzipien zu leben. Du entwickeltest dann den Willen und das Verlangen, deine Familie und dein Volk zu verteidigen. Wir kapierten aber auch, dass du, wenn du deine Klappe aufmachst und öffentlich über diese Prinzipien sprichst, mit allen möglichen Angriffen rechnen musstest. Und so ist es uns im wesentlichen auch allen ergangen.«
Am 2. Mai hat sich Afeni Shakur im Alter von 69 Jahren auf den Weg in die Ewigkeit gemacht.
Übersetzung: Jürgen Heiser