Link zum Artikel in junge Welt Nr. 106 vom 7./8. Mai 2016: Bitte HIER klicken![1]
Migranten organisieren sich
Nachdem das hochverschuldete Puerto Rico, als »Außengebiet« de facto eine Kolonie der USA, zu Beginn dieser Woche wegen leerer Kassen eine ausstehende Zahlung von 422 Millionen Dollar nicht leisten konnte, traten im US-Bundesstaat Florida Vertreter der dort lebenden puertoricanischen Exilgemeinde zusammen, um die prekäre Lage ihres Heimatlandes zu beraten. Eingeladen ins Bürgerzentrum Centro Borinqueño von Orlando hatte die Initiative »Organize Now«, die als Basisorganisation die Interessen der mittlerweile eine Million Puertoricaner vertritt, die in den letzten Jahrzehnten ihre von Armut und Erwerbslosigkeit geprägte Heimat verlassen mussten. Gegenwärtig wandern monatlich »11.000 sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, die hoffen, in Central Florida ein besseres Leben zu finden«, nach Florida ab, berichtete Christina Hernández aus Orlando. Damit werden dem krisengeschüttelten Land, das unter einer Schuldenlast von 72 Milliarden US-Dollar leidet, weitere potentielle Steuerzahler entzogen. Gouverneur Alejandro García Padilla verhängte deshalb bis 2017 ein Moratorium über die Schuldentilgung und überwies an die privaten Gläubigerfonds nur die fälligen Zinsen in Höhe von 52 Millionen US-Dollar. Die Ratingagentur Moody’s hatte das Land schon im Sommer 2015 auf »Bankrottstatus« zurückgestuft.
Regierungsvertreter sähen tatenlos zu, »wie 40 Prozent der Schulen geschlossen werden, 45 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze leben und der Strom in Krankenhäusern abgestellt wird, in denen noch Kranke versorgt werden«, beschwerte sich der Kommunalpolitiker Victor Torres laut dem Blog Pasquines in der Versammlung.
Eine von »Organize Now« in Umlauf gebrachte und bereits über 5.000 Mal unterzeichnete Petition fordert ein Ende der Kürzungen in den Bereichen Bildung und Gesundheit sowie bei der Grundversorgung der Bevölkerung. Bei der Debatte in Orlando war man sich einig, dass politische Repräsentanten in Florida und in der Hauptstadt Washington an ihre Fürsorgepflicht gegenüber Puerto Rico erinnert und die »direkt Verantwortlichen für die humanitäre Krise zur Rechenschaft gezogen« werden müssten. Das Wohl der Bevölkerung der Insel müsse »über die Interessen der Geierfonds und der Banken der Wall Street gestellt werden, die Millionen für ihre Lobbyarbeit in Washington ausgeben«. Als »Geierfonds« werden in Puerto Rico und anderen Teilen Lateinamerikas die privaten Hedgefonds bezeichnet, bei denen Puerto Rico unter dem Einfluss Washingtons seine immensen Schulden angehäuft hat.
Die puertoricanische Gemeinde in den USA schließe sich zusammen und organisiere sich, »um für unsere Familien und Freunde, die noch auf der Insel leben, Veränderungen zu erreichen«, erklärte Frederick Vélez, der bei »Organize Now« zuständig für die Kontakte zu den hispanischen Gemeinden in den USA ist. Denise Díaz, Leiterin der Initiative »Central Florida Jobs with Justice« erklärte, der US-Kongress müsse jetzt handeln, »andernfalls hat er seine Hände dabei im Spiel, dass die Wall Street Profite aus der Krise schlägt«.
Aus diesem Grund müssten sich die Puertoricaner »vereinigen, um Veränderungen durchzusetzen«, plädierte der Gewerkschafter Jimmy Torres Vélez, Sprecher der »Iniciativa Acción Puertorriqueña«. Die Krise mache deutlich, »dass der US-Kongress jetzt den Druck unserer Organisationen braucht, um endlich etwas für Puerto Rico zu tun«. Eine Intensivierung ihrer Anstrengungen hatten Torres Vélez und weitere Delegierte aus den Exilgemeinden auf dem »Puertoricanischen Diasporagipfel« beschlossen, der Ende April in New York City getagt hatte (jW berichtete). Der Gewerkschafter aus Florida hatte dort bereits die Notwendigkeit hervorgehoben, in den USA »eine nationale Organisation zur Mobilisierung unseres Volkes zu schaffen«.