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Folterknechte bald vor Gericht?
Drei Folteropfern des US-Auslandsgeheimdienstes CIA wird es nun möglich sein, Psychologen zu belangen, die für die Entwicklung und Umsetzung brutaler Folterprogramme verantwortlich sind. Das entschied US-Bundesbezirksrichter Justin Quackenbush im US-Bundesstaat Washington am vergangenen Freitag, als er die Zivilklage von Suleiman Abdullah Salim, Mohamed Ahmed Ben Soud und den Hinterbliebenen des 2002 in CIA-Haft ermordeten Gul Rahman zuließ.
Erstritten hat das Klagerecht gegen die Psychologen James Elmer Mitchell und John Jessen die US-Bürgerrechtsorganisation »American Civil Liberties Union« (ACLU). Sie hatte das Verfahren gegen die beiden bei der CIA unter Vertrag stehenden Wissenschaftler wegen »der Anwendung von Folter, grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung bei nicht einvernehmlichen Menschenversuchen an CIA-Gefangenen und wegen Kriegsverbrechen« angestrengt. Beide hätten »persönlich an Folterverhören teilgenommen und die Umsetzung des Programms bei der CIA beaufsichtigt«. Dafür erhielten sie und ihr Mitarbeiterstab laut ACLU von der US-Regierung mehr als 80 Millionen US-Dollar.
ACLU-Anwalt Dror Ladin nannte die Gerichtsentscheidung »einen historischen Sieg im Kampf darum, die Verantwortlichen für Folter für ihr verabscheuungswürdiges und rechtswidriges Handeln zur Rechenschaft zu ziehen«. Grundlage ist das »Alien Tort Statute«, ein Gesetz zur Regelung ausländischer Ansprüche, die sich auf das US-Zivilrecht stützen und von ausländischen Klägern wegen Handlungen geführt werden, die nicht auf dem Staatsgebiet der USA stattgefunden haben.
Quackenbush räumte den Folteropfern nun eine Frist von 30 Tagen ein, Beweise gegen die Beschuldigten vorzubringen. Die Psychologen hatten vergeblich für sich Immunität »als Vertragspartner der Regierung« reklamiert und die Abweisung der Klage beantragt. Nicht die Justiz sei für diese »politische Frage« zuständig, sondern Exekutive und Legislative, argumentierten ihre Anwälte.
Mitchell und Jessen, die zuvor für das Pentagon gearbeitet hatten, waren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von sich aus mit Vorschlägen für »wissenschaftliche Folterprogramme« an die CIA herangetreten. Ihre Theorie: Wenn Menschen »durch Folter psychisch zerstört« würden, wären sie danach »unfähig, sich der Forderung nach Informationspreisgabe zu widersetzen«. 2002 nahm die CIA die Firma »Mitchell, Jessen & Associates« mit Genehmigung des US-Justizministeriums zur Aufstellung eines umfassenden Folterprogramms in ihre Dienste. Eingeschlossen war die Bereitstellung von Experten und die Absicherung geheimer Haft- und Verhörzentren (»Black sites«).
Die Wirksamkeit ihrer Folter zu testen und zu modifizieren, überließ die CIA der Firma. Zu den Methoden gehörte es, Gefangene in sargähnliche Kisten zu stecken, sie großer Kälte oder Hitze und ohrenbetäubend lauter Musik auszusetzen. Verschiedene Formen der Wasserfolter, Fesseln und Aufhängen in extrem schmerzhaften Positionen sowie tagelanger Schlafentzug waren weitere Qualen. All das ist im 2014 veröffentlichten Bericht des Senatsausschusses über CIA-Folter nachzulesen.
Die beiden überlebenden Kläger leiden bis heute unter der Torturen. Der frühere tansanische Fischer Suleiman Abdullah Salim wurde nach fünf Jahren freigelassen und lebt heute in Sansibar. Der Libyer Mohamed Ahmed Ben Soud, der seit 1991 in Pakistan lebte, wurde 2003 von dort in zwei afghanische Geheimgefängnisse verschleppt, wo er zwei Jahre gefoltert wurde. Er kam 2011 frei und konnte Mitchell identifizieren, der bei den ersten Misshandlungen anwesend war.
Der Afghane Gul Rahman, der mit Frau und vier Kindern in einem Flüchtlingslager in Pakistan gelebt hatte, starb nach Angaben der ACLU an Unterkühlung, Dehydrierung, Nahrungsentzug und grausamen Fesselungen. Seine Familie wurde bis heute nicht offiziell über seinen Tod informiert, der Verbleib seiner sterblichen Überreste ist ungeklärt. Gegen keinen der drei CIA-Häftlinge wurde je eine konkrete Beschuldigung vorgebracht.
Jürgen Heiser