Link zum Artikel in junge Welt Nr. 34 vom 10. Februar 2016: Bitte HIER klicken![1]
Schwarzes Selbstbewusstsein
Über das Finale der US-amerikanischen Football-Profiliga NFL berichteten auch deutsche Medien am Montag so ausführlich wie nie zuvor. Anlass war das 50. Jubiläum des »Super Bowl«, eines der größten Sportereignisse der Welt, das allein in den USA 100 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme lockte, weltweit fast eine Milliarde. Wie am gestrigen Dienstag bekanntwurde, war das Spiel indes auch eine Schau der »Supermilitarisierung« der Polizei, die eine gigantische Vertreibungsaktion gegen Obdachlose veranstaltete, wie die US-Onlinemedien Popular Resistance (PR) und Democracy Now! (DN) berichteten. Das deutsche Publikum erfuhr davon jedoch ebensowenig wie davon, dass die afroamerikanische Sängerin Beyoncé ihren Auftritt in der Halbzeit des Spiels in eine politische Demonstration für schwarzes Selbstbewusstsein verwandelte.
Die Denver Broncos aus Colorado besiegten die Carolina Panthers aus Charlotte (North Carolina), doch zur eigentlichen Siegerin erklärte DN die »Poplegende« Beyoncé. Sie hätte den Zuschauern mit ihren Tänzerinnen »eine der politischsten Halbzeitshows in der Geschichte des Super Bowl« geboten, »indem sie der ›Black Lives Matter‹-Bewegung und der ›Black Panther Party‹ ihren Tribut zollte«. Auf inzwischen kursierenden Fotos ist zu sehen, wie vier Tänzerinnen und eine Musikerin am Spielfeldrand mit Baretten und schwarzer Kluft, in der Art wie die Black Panther sie trugen, ihre Fäuste in die Höhe recken, vor ihnen ein Schild mit der Aufschrift »Gerechtigkeit für Mario Woods«. Der 26jährige Woods war im Dezember von Polizisten in San Francisco erschossen worden. Die in Kalifornien ursprünglich zur Selbstverteidigung gegen rassistische Polizeigewalt gegründete »Black Panther Party« würde im kommenden Herbst ihr 50jähriges Jubiläum feiern.
Mit ihren in die Luft gereckten Fäusten erinnerten die schwarzen Künstlerinnen auch an die afroamerikanischen Athleten Tommie Smith und John Carlos, die 1968 während der Olympischen Spiele in Mexiko bei der Siegerehrung mit ihren zum »Black Power«-Gruß erhobenen Fäusten gegen den Rassismus in ihrer Heimat protestierten.
Im Video zu ihrem Lied »Formation«, das beim »Super Bowl« Premiere hatte, geht es um das Elend, in das der Hurrikan »Katrina« 2005 die schwarzen Einwohner des überschwemmten New Orleans gestürzt hatte und bei dem die Bush-Regierung sie im Stich gelassen hatte. Es zeigt Szenen aus Leben und Geschichte schwarzer Frauen, Sklaverei und schließlich Polizeigewalt. Vor einer Kette weißer Polizisten tanzt ein schwarzes Kind, eine gesprüht Parole mahnt: »Stop shooting us«.
Nach ihrem Halbzeitauftritt fielen im Internet vor allem Ehefrauen von Polizisten über Beyoncé her und beschimpften sie. Ihre Fans begrüßten jedoch Video und Auftritt. Sie habe damit »den Zuschauern Geschichtsunterricht erteilt«. Die Sängerin selbst erklärte, sie habe erreichen wollen, »dass die Leute stolz auf sich sind und Liebe für sich selbst empfinden«.
Diese Art von persönlichem Zuspruch hätten auch die etwa 10.000 Obdachlosen in San Francisco gebrauchen können, von denen ein Drittel Kinder sind. In den Wochen vor dem Sportspektakel waren sie systematisch aus der Stadt vertrieben worden. Sie sollten Platz machen für »Super Bowl City«, ein Festival, das die Sponsoren in einem eingezäunten Areal aufgezogen hatten. Dort wollten sie ihre Firmen und Produkte den zahlungskräftigen Besuchern des Spiels präsentierten.
Karten für den Super Bowl kosteten bis zu 18.000 US-Dollar pro Platz. Proteste der Obdachlosen und ihrer Unterstützer stellten sich dem mit dem Slogan »Super Bowl City meets Tent City« entgegen. Viele der Obdachlosen leben in Zelten, seit Mieten in der Stadt in astronomische Höhen stiegen oder ihre Wohnungen in Eigentum verwandelt wurden. Bürgermeister Edwin Lee indes forderte: »Verschwindet von den Straßen.« Eine ganze Polizeiarmada sorgte seitdem dafür, dass ohne die Obdachlosen veranstaltet werden konnte, was Dave Zirin, Sportkolumnist von The Nation, das »Woodstock der Reichen« nannte. Es diene allein dazu, reinen »Prestigekonsum zu zelebrieren«.