Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 20 vom 25. Januar 2016: Bitte HIER klicken![1]
»Staatsfeind« Martin Luther King
Der Name des Bürgerrechtlers Martin Luther King jr. ist in den USA in eine Art Talisman verwandelt worden, den man sich als Glücksbringer ans Revers heftet. Politiker, die während ihrer gesamten Laufbahn nichts anderes gemacht haben, als die Lebensverhältnisse, Rechte oder Interessen afroamerikanischer Bürger zu ignorieren oder zu attackieren, brechen heute in wahre Lobgesänge auf King aus. Manche picken sich sogar bestimmte Zitate seiner Reden heraus, um damit ihre eigene Politik in besserem Licht erscheinen zu lassen. Als ob das jemals in der Absicht Kings gelegen hätte.
Die Wahrheit ist, dass King bis in die höchsten Ränge der US-Regierung und der US-Bundespolizei FBI auf der Abschussliste stand. Ein hoher Beamter in J. Edgar Hoovers FBI nannte King »den gefährlichsten aller Schwarzenführer im Land«.
Wenn die Nation heutzutage den gesetzlichen Feiertag zum Gedenken Kings begeht – seit 1986 am dritten Montag im Januar –, sollten wir nicht vergessen, welche Rolle die US-Regierung bei seiner Ermordung gespielt hat. Insbesondere sollten wir uns der mittlerweile in Vergessenheit geratenen Sitzungen des 1975 tagenden Sonderausschusses des US-Senats, des »Church Committee«, erinnern. Damals erörterten Senatoren und Stabsmitarbeiter des Kongresses unter Leitung des Demokraten Frank Church in öffentlichen Sitzungen unter anderem die Bestrebungen des FBI, King »zu ersetzen«, wie der folgende Wortwechsel zwischen Kongressmitarbeiter Mike Epstein und Walter Mondale, Senator aus Minnesota, zeigt, veröffentlicht in Band 6 der Ausschussprotokolle auf Seite 59:
»Mr. Epstein: Herr Vorsitzender, ich möchte erwähnen, dass ich das Dokument jetzt nicht vorliegen habe. Aber dieses Dokument, das die Diskreditierung von Dr. King und das Ernennen eines neuen Anführers empfiehlt, stammt aus dem Januar 1964. Es enthält die Empfehlung von Mr. Sullivan (William C. Sullivan war bis 1971 Leiter für verdeckte Inlandsoperationen des FBI; jW), der in diesem Memorandum die Genehmigung des Direktors erbat, diese Möglichkeit weiterzuverfolgen; es war die Empfehlung, Zustimmung zu erteilen, die ganze Sache detaillierter zu untersuchen, wie oben näher ausgeführt, und darunter steht ›O.K. H.‹ Und dann steht dort noch die Notiz des Direktors, die lautet: ›Ich freue mich, dass der Domestic Intelligence Division endlich ein Licht aufgegangen ist, wenn auch leider betrüblich spät. Ich habe monatelang darum gerungen, die Tatsache zu vermitteln, dass die Kommunisten dabei sind, die Rassenbewegung zu übernehmen, aber unsere Experten hier konnten oder wollten das nicht sehen. H.‹
Senator Mondale: Das war das Memo, in dem vorgeschlagen wurde, King als führenden Bürgerrechtler zu vernichten und dass das FBI dafür sorgen sollte, ihn durch eine andere Person zu ersetzen, die nicht der Bürgerrechtsbewegung angehört?
Mr. Epstein: Das ist richtig.
Senator Mondale: Und Hoover begrüßte diesen Vorschlag persönlich – ist das richtig?
Mr. Epstein: Er gab sein O.K.«
Soweit der Auszug aus dem Wortwechsel im »Church Committee«, den wir uns in Erinnerung rufen sollten, wann immer das nächste Mal ein Politiker Martin Luther King jr. zitieren oder Krokodilstränen über sein »Martyrium« vergießen sollte. Die US-Regierung wollte ihn »vernichten« und durch jemand anderen »ersetzen«.
Glückwunsch zum Martin-Luther-King-Tag!
Übersetzung: Jürgen Heiser