Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 165 vom 20. Juli 2015: Bitte HIER klicken![1]
Über Flaggen und Lumpen
Die Kontroverse über die Kriegsflagge der Konföderierten Staaten, die bis vor kurzem noch über dem Denkmal zur Erinnerung an den Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) vor dem Kapitol in South Carolinas Hauptstadt Columbia wehte, wirft viele Fragen auf. Die, ob diese Flagge ein Symbol des Rassismus ist, muss wohl kaum noch beantwortet werden.
Die Auseinandersetzung zeigt, wie rückwärtsgewandt und repressiv einige Regionen unseres Landes sind, gefangen in den gebrochenen Erinnerungen an die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die für die meisten von uns eher entsetzlich war als glorreich.
Wer sich mit der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika befasst, lernt, dass der US-Bundesstaat South Carolina immer wieder damit drohte, sich von der Union abzuspalten. Schon mehrere Generationen vor dem Beschuss von Fort Sumter durch die Truppen der Konföderierten schrieb der französische Publizist und Historiker Alexis de Tocqueville in seinem Klassiker »Demokratie in Amerika«, dass South Carolina damit drohe, die Union zu verlassen.
Dieses trotzige Verhalten, dieses Gefühl eines falschen, verletzten Stolzes, diese tief in den Knochen sitzende Paranoia, die durch das Wissen um die jahrhundertelang an Afrikanern begangenen Verbrechen und Grausamkeiten herangezüchtet wurde, liegt wie ein Stein im Herzen dieses Staates. Von all den von Sklaven aufgebauten Kolonien des Südens der USA hat keine South Carolina übertroffen, was die große Zahl ihrer wimmelnden schwarzen Bevölkerung betrifft, die dort in Angst und Schrecken lebte.
Das Erbe der Kriegsflagge der Konföderierten sind Terror und Gewalt zur Aufrechterhaltung eines Systems des organisierten Raubes schwarzer Arbeit – im Namen der weißen Vorherrschaft und der Unterjochung der Schwarzen. Dylann Roof, der rassistische Attentäter von Charleston, wusste instinktiv, wofür diese Flagge stand, genauso wie er wusste, wofür die Flaggen des Apartheidstaates Südafrika und der früheren britischen Kolonie Rhodesien standen, die er sich auf seine Jacke genäht hatte. Er wusste genau, was er da auf seinem Leib trug und womit er sich stolz auf Fotos zeigte. In der Realität sind die Apartheidflagge und die Fahne Rhodesiens dort gelandet, wo sie hingehören: auf dem Müllhaufen der Geschichte.
In den USA hingegen flattert die Konföderiertenflagge an manchen Orten immer noch im Wind, als wenn wir das Jahr 1860 schrieben. Sie ist ein Symbol des Krieges gegen die Freiheit und zeigt, dass für viel zu viele Leute der Amerikanische Bürgerkrieg immer noch nicht zu Ende ist.
Übersetzung: Jürgen Heiser