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Erst Nazis, dann Ausländer
Am 3. Januar 1934 legte Dickstein dem Kongress Ergebnisse seiner Arbeit vor. Auf der Basis der »Dickstein-Resolution« wurde daraufhin unter Vorsitz des Abgeordneten John W. McCormack (Demokraten) ein Ausschuss gegründet, der den Namen »Komitee zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe« erhielt. Dickstein fungierte als sein Vizevorsitzender. Drei Jahre später beantragte Dickstein im US-Kongress erneut die Einrichtung eines Ausschusses, der schließlich 1938 unter dem Vorsitz des Abgeordneten der Demokratischen Partei, Martin Dies Jr., als »Dies-Committee« seine Tätigkeit aufnahm und die Bezeichnung »Komitee für unamerikanische Umtriebe« fortführte.
Neben US-Bürgern deutscher Herkunft, die man als aktive Nazis wegen subversiver Tätigkeiten im Verdacht hatte, sollte dieser Ausschuss auch gegen den Ku-Klux-Klan (KKK) ermitteln. Diese Nachforschungen wurden aber schon bald wieder eingestellt, »weil das HUAC entschieden hat, dass es ihm für den Nachweis an ausreichenden Daten mangelt«, wie es der zuständige Chefberater Ernest Adamson formulierte. Ausschussmitglied John E. Rankin, demokratischer Abgeordneter aus Mississippi, sprach Klartext: »Der KKK ist eine alte amerikanische Institution.«
Als typischer weißer Politiker aus einem der ehemaligen Sklavenhalterstaaten sympathisierte Rankin mit dem KKK, und er war für seine rassistischen Äußerungen über Afroamerikaner und seinen Widerstand gegen die Verwirklichung ihrer Bürgerrechte bekannt. Seine diskriminierenden Ausfälle gegen US-Amerikaner japanischer Herkunft heizten die nach dem Angriff Japans auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor im Dezember 1941 angespannte gesellschaftliche Atmosphäre weiter an. Im Kongress forderte Rankin, »alle Japaner in Amerika, Alaska und Hawaii in Konzentrationslagern zu internieren«, um sie »uns vom Hals zu schaffen«. Außerdem witterte Rankin überall im Land »kommunistische Umtriebe«. Selbst Albert Einstein wurde von ihm als »kommunistischer Agitator« beschimpft.
Schon während des Zweiten Weltkrieges verlagerte sich das HUAC unter dem Einfluss von Politikern wie Rankin mehr und mehr auf Nachforschungen gegen US-Japaner und gegen die Kommunistische Partei der USA, die man der Infiltration aller möglichen Bereiche der US-Gesellschaft verdächtigte. Als das HUAC anlässlich des Endes der 78. Legislaturperiode des US-Kongresses seine Tätigkeit einstellen sollte, intervenierte Rankin am 3. Januar 1945 mittels einer überfallartig zur Abstimmung vorgelegten Gesetzesvorlage. Es gelang ihm damit nicht nur, den Fortbestand des HUAC zu sichern, sondern es auch als Dauereinrichtung durchzusetzen. Sechs Abgeordnete der Demokratischen und drei der Republikanischen Partei bildeten fortan den ständigen Ausschuss des HUAC.
Schließlich gegen Linke
Das Ende des Zweiten Weltkrieges setzte in der US-Politik neue Zeichen. Die Niederringung des deutschen Faschismus wäre zwar ohne den entschiedenen Einsatz und die hohen Opferzahlen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) nicht möglich gewesen, für die USA war das jedoch kein Hinderungsgrund, mit Kriegsende die UdSSR öffentlich zum neuen ideologischen Hauptfeind zu erklären und den damit beginnenden Kalten Krieg zum bestimmenden Moment der nächsten Jahrzehnte zu machen.
Der »Kommunismus« als Sammelbegriff für alle sozialkritischen, linken und gewerkschaftlichen Initiativen und Organisation wurde dem Zweiparteiensystem der USA und seinem »American Way of Life« auch innenpolitisch zum Hauptfeind. Fortan sollten deshalb nicht nur die Gesinnung im öffentlichen Dienst und im Militär, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen einer ständigen ideologischen Überprüfung unterzogen werden.
»Sind oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?« wurde ab 1947 zur zentralen Frage in den Sitzungen des HUAC. In seinen ersten öffentlichen Verhören gerieten sämtliche links oder auch nur liberal angehauchten Filmschaffenden der Hollywood-Traumfabrik auf »schwarze Listen«. Denunzianten wie Walt Disney und Ronald Reagan lieferten für sie die Namen, und Politiker wie der spätere US-Präsident Richard Nixon sorgten für den notwendigen Verfolgungsdruck. Die »Hollywood Ten« verweigerten sich jedoch der Zusammenarbeit mit dem HUAC, unter ihnen der Dramatiker und Drehbuchautor John Howard Lawson (siehe Quelle). Wie die anderen neun berief er sich im Verhör auf seine Verfassungsrechte. Als Lawson auf die Frage des Chefermittlers Robert E. Stripling nach seiner Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei der USA antwortete, die US-Verfassung sei »genau deshalb geschaffen worden, um solche Komitees daran zu hindern, in die Grundrechte der Amerikaner einzugreifen«, wurde Lawson von Wachmännern aus dem Saal entfernt, wegen »Missachtung« des Komitees für »schuldig« befunden und zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Wer nicht kooperierte, wurde diskreditiert und verlor fast jede Möglichkeit, in seinem Beruf zu arbeiten. Dem »verdächtigen« Briten Charly Chaplin versuchte man beizukommen, indem er nach einem Englandbesuch Einreiseverbot für die USA erhielt.
Die »Hexenjagd« des HUAC war eröffnet. Deutsche Kulturschaffende wie Bertolt Brecht und Hanns Eisler, die vor dem deutschen Faschismus in die USA geflohen waren, wurden ebenfalls zur Zielscheibe der fanatischen Kommunistenjäger. Einen besonderen Namen machte sich in dieser ersten Hochzeit des Kalten Krieges bis Mitte der 1950er Jahre der republikanische Senator Joseph McCarthy. Er war zwar kein Mitglied des HUAC, seine von FBI-Chef J. Edgar Hoover unterfütterten Anschuldigungen gegen »prokommunistische Umtriebe« arbeiteten jedoch dem HUAC zu. Und McCarthy drückte dieser Ära aus antikommunistischen Verschwörungstheorien und Denunziationen seinen bis heute prägenden Stempel auf.
Quellentext: Der Drehbuchautor John Howard Lawson vor dem HUAC
Am 27. Oktober 1947 musste John Howard Lawson als erster, der verdächtigt wurde, Kommunist zu sein, vor dem »Komitee für unamerikanische Umtriebe« (HUAC) erscheinen. Lawson forderte für sich das Recht, zu Beginn eine Erklärung abgeben zu können, was ihm aber vom Vorsitzenden J. Parnell Thomas mit den Worten verweigert wurde, eine solche Erklärung sei »nicht zweckdienlich für diese Untersuchung«.
Lawsons Erklärung wäre folgenden Inhalts gewesen: »Als Individuum bin ich unwichtig. Die offensichtliche Tatsache, dass das Komitee versucht, mich persönlich und beruflich zu vernichten, mich meines Lebensunterhalts und – was mir bei weitem wichtiger ist – meiner Ehre als Amerikaner zu berauben, gewinnt nur dadurch an Bedeutung, dass auf dieser Basis künftig jeder Bürger vernichtet werden kann, den das Komitee dazu auswählt.
Es überrascht nicht, dass sich diese schamlose Verleumdung ausgerechnet gegen Schriftsteller und Künstler richtet. Sie sind zusammen mit Wissenschaftlern und Pädagogen immer die ersten Opfer von Angriffen derjenigen, die die Demokratie hassen. Schriftstellern kommt eine besondere Verantwortung zu, der Demokratie zu dienen und den freien Austausch von Meinungen zu fördern. Ich bin stolz darauf, herausgegriffen und von Männern attackiert zu werden, die – nach eigenem Bekunden – darauf aus sind, Meinungen zu unterdrücken und Kommunikation zu zensieren.«
Quelle: http://spartacus-educational.com/USAhuac.htm
Übersetzung Jürgen Heiser