Kolumne # 723 vom 27.10.2014: Unter Besatzung

27.10.14 (von maj) Was die Bewohner von Ferguson, Missouri, und Gaza, Palästina, vereint, ist die Alltäglichkeit der Unterdrückung aufgrund der Tatsache, dass beide mit der allgegenwärtige Präsenz von außerhalb stammender bewaffneter Kräfte konfrontiert sind

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 249 – 27. Oktober 2014 / Link zum Artikel in junge Welt - Bitte HIER klicken![1]

Unter Besatzung
Auf den ersten Blick haben Ferguson, ein Vorort von St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, und Gaza in den von Israel besetzten Gebieten wenig miteinander gemein. Der eine Ort befindet sich im reichsten Land der Erde, der andere auf altertümlichem Land, das unter israelischer Besatzung und Siedlungspolitik stetig schrumpft. In Ferguson lebt eine vorwiegend afroamerikanische Bevölkerung, in Gaza leben palästinensische Araber. Der US-Vorort ist angeblich frei, der Gazastreifen befindet sich unter militärischer Kontrolle einer fremden Macht.
Was die Bewohner der beiden Orte vereint, ist die Alltäglichkeit der Unterdrückung aufgrund der Tatsache, dass beide mit der allgegenwärtige Präsenz von außerhalb stammender bewaffneter Kräfte konfrontiert sind. Deren einzige Aufgabe scheint es zu sein, ihnen das Leben schwer zu machen. Die schwarze Bevölkerung von Ferguson lebt unter einer vorwiegend aus Weißen bestehenden Verwaltung, die sich wenig um die Belange der Gemeinde kümmert. Diese Situation stellt eine zum Zerrbild erstarrte Beleidigung demokratischer Grundsätze dar. In Gaza wird die mehrheitlich aus muslimischen und christlichen Arabern bestehende Bevölkerung ständig durch die militärische Besatzungsmacht bedroht, die jeden Aspekt des Lebens kontrolliert.
Unterdrückung tötet. In beiden Gesellschaften nimmt der gegen die Einwohner gerichtete Rassismus unbestreitbar krasse Formen von Gewalt an. Ihre schlimmsten Formen richten sich gegen die junge Generation. Das haben wir in Palästina gesehen, wo die israelische Polizei mit grausamer Gewalt gezielt gegen Minderjährige vorging und sie verprügelte oder tötete. Und das haben wir in Ferguson gesehen, als die brutale Unterdrückung der Proteste nach der Erschießung des Teenagers Mike Brown Schlagzeilen machte.
Das Leben der Menschen in Palästina ist seit Generationen zerstört, besonders seit 1947, als die Vereinten Nationen palästinensisches Land an den neugegründeten Staat Israel abtrat. Durch Landraub und terroristische Attacken der zionistischen Guerilla schrumpfte Palästina zu dem Gebilde, das heute davon übrig ist: die modernen Bantustans Gaza und Westjordanland, wo der Bevölkerung nur noch Fetzen ihres angestammten Landes geblieben sind. Ihre Lage ist vergleichbar mit der in den Reservationen, in die man die amerikanischen Ureinwohner verbannte, deren Leben nach dem schlimmsten Landraub als freie Nationen heute nur noch bloße Erinnerung ist.
Wie der jüngste Krieg Israels gegen Gaza gezeigt hat, zählt arabisches Leben für die Zionisten nicht. Der zionistische Staat wurde nach dem perfiden Willen des Westens unter britischem Mandant aufgebaut, doch nicht ein Hektar des Landes, das sie so großzügig vergaben, gehörte ihnen, sondern der in Palästina beheimateten Bevölkerung, die vertrieben wurde. Die Saat dieser Politik ist aufgegangen und erzeugt den Horror dieser Tage.
Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrung von Unterdrückung hatten palästinensische Organisationen und Einzelpersonen am 15. August 2014 eine Erklärung an »unsere schwarzen Brüder und Schwestern« in Ferguson gerichtet, in der sie ihre Gemeinsamkeiten hervorhoben. »Wir begreifen die Missachtung und Respektlosigkeit gegenüber Schwarzen als Ausdruck des Systems der weißen Vorherrschaft, das mit schamloser Brutalität über das Land herrscht. Eure Kämpfe durch die Jahrhunderte waren für uns, die wir unsere eigenen Kämpfe um grundlegende Menschenrechte führen, eine Inspiration. In eurem jahrhundertelangen Kampf und in dem Beispiel eurer revolutionären Anführer Malcolm X, Huey Newton, Kwame Turé, Angela Davis, Fred Hampton, Bobby Seale und vielen anderen werden wir weiterhin Inspiration und Stärke finden. … Wir grüßen die Menschen in Ferguson mit erhobener Black-Power-Faust und schließen uns euren Forderungen nach Gerechtigkeit an.«

Übersetzung: Jürgen Heiser


Links im Artikel: 1
[1] https://www.jungewelt.de/ausland/unter-besatzung

Ausdruck von: http://freedom-now.de/news/artikel1160.html
Stand: 23.11.2024 um 15:06:15 Uhr