Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 27 – 1./2. Februar 2014
Vor einigen Tagen erschien eine Pressemeldung, die zu den herausragendsten gehört, die ich je gelesen habe. Die Überschrift enthielt eine merkwürdige Gleichung: »85 gleich 3,5 Milliarden«. Im ersten Moment erschloß sich mir der Sinn dieser Gegenüberstellung nicht. Erst als ich den Artikel las, wurde mir klar, worum es ging. Darin stand zu lesen, daß weltweit 85 Personen über genauso viel Besitz und Vermögen verfügen wie 3,5 Milliarden Menschen der Weltbevölkerung. Das mußte ich mir noch einmal langsam auf der Zunge zergehen lassen: 85 Individuen besitzen ein persönliches Vermögen, das dem von dreieinhalb Milliarden Menschen entspricht, also der Hälfte der Weltbevölkerung. Ist das nicht erstaunlich? Ist das nicht ganz und gar unglaublich?
Wer jemals Zweifel daran hegte, daß der Reichtum in dieser Welt ungleich verteilt ist, den muß diese statistische Gleichung eines Besseren belehren. Würde die Occupy-Bewegung heute nicht so ein bedauerliches Schattendasein führen, dann müßte ihre bekannte Parole »Wir sind die 99 Prozent – nieder mit dem einen Prozent!« jetzt revidiert werden. Denn anstelle von einem Prozent müßte man angesichts von 85 der Reichsten dieses Planeten im Verhältnis zur Weltbevölkerung von einer Zahl sprechen, die nur noch als null-komma-irgendwas mit mehreren Stellen hinter dem Komma zu erfassen ist.
Selbst das Römische Reich, das berüchtigt war für die Korruption seines Senats, kannte keine Ungleichheit von heutigen Ausmaßen. Und auch der kluge Karl Marx hatte solche Dimensionen von Ungleichheit nicht vorhersehen können. Dieser ungeheure Wohlstand einiger weniger ist vor allem deshalb so obszön, weil er in einer Epoche weltweit wachsender Armut angehäuft wird. Überall werden Sozialhaushalte gekürzt, werden Schulen geschlossen, und einen Boom erleben nur die Gefängnisse mit ihren rasant anwachsenden Häftlingszahlen. Die Politiker, die dieser winzigen Klasse von Superreichen dienen, kürzen mehr und mehr, während der US-Kongreß seine eigenen Ränge mehr und mehr mit Senatoren füllt, die Millionäre sind. Und diese »Volksvertreter« sind es, die am lautesten schreien, wenn es um eine stärkere Besteuerung der Reichsten der Reichen dieser Welt geht.
Übersetzung: Jürgen Heiser