Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 160 – 13./14. Juli 2013
Die US-Gefängnisbehörde Department of Corrections (DOC) hat unseren Kolumnisten Mumia Abu-Jamal am 28. Juni mit einem bis zu diesem Wochenende andauernden disziplinarischen Kommunikationsverbot belegt (siehe jW vom 6. Juli). Aus diesem Grund veröffentlichen wir anstelle einer aktuellen Kolumne eine andere, in der er sich 1995 mit dem ersten gegen ihn verhängten Schreibverbot befaßte.
Am 3. Juni 1995, einen Tag nach Unterzeichnung des ersten Hinrichtungsbefehls gegen mich, wurde ich mit einem Disziplinarverfahren konfrontiert. Es lag eine Anzeige wegen »unerlaubter Betätigung in einem Gewerbe oder Beruf« gegen mich vor, weil ich auch hinter Gittern weiter als Journalist tätig bin. Der Staat will mit allen Mitteln verhindern, daß Sie lesen können, was ich schreibe. Weil ich es wage, die Wahrheit auszusprechen oder aufzuschreiben, bestrafen sie mich erneut, obwohl ich schon der härtesten Strafe unterworfen bin, die das System vorsieht.
Mein Vergehen? Mein Buch »...aus der Todeszelle« geschrieben zu haben. Darin zeichne ich ein wenig schmeichelhaftes Bild dieses Gefängnissystems, das sich selbst das Etikett »Resozialisierung« anheftet. Es bringt aber kaum etwas anderes fertig, als Menschenseelen zu korrumpieren. Dieses System, das Jahr für Jahr Hunderte Millionen US-Dollar verschlingt, um Frauen und Männer zu foltern, zu verletzen und zu verstümmeln. Dieses System, das Bitterkeit lehrt und Haß schürt.
Der Staat verfolgt dabei jedoch nicht einfach das Ziel, Menschen umzubringen, sondern er will sie zum Schweigen bringen. »Resozialisiert« ist man als Häftling nur, wenn man verstummt ist. Wer jedoch spricht, schreibt und den Horror, den er erlebt, beim Namen nennt, gegen den wird ein Disziplinarverfahren eröffnet. Für die Gefängnisbehörde ist der erste Zusatzartikel zur US-Verfassung – das Recht auf freie Meinungsäußerung – null und nichtig.
Aber niemand, kein Polizist oder Wärter wird eine einzige Lüge in meinem Buch finden. Es ist vielmehr genau wegen seines Wahrheitsgehaltes zur Zielscheibe des Staates und seiner Günstlinge geworden, damit niemand diese Wahrheiten erfährt. Jeder sollte sich aber fragen, warum nichts von dem, worüber ich geschrieben habe, im Fernsehen, Radio oder in den Zeitungen berichtet wird! Weil die Medien zunehmend im Besitz multinationaler Konzerne oder reicher Unternehmer sind, vermitteln sie nur die Ansichten der Reichen und Etablierten und nicht die der Armen und Machtlosen.
In meinem Buch »...aus der Todeszelle« sind die Stimmen der Mehrheit, der Unterdrückten und Verdammten zu hören, es kommen die zu Wort, auf die der Staat Bomben werfen läßt. Ich habe bereits einen hohen Preis dafür bezahlt, Ihnen das alles nahe zu bringen, und ich werde sicher noch mehr dafür bezahlen. Aber Sie sollen wissen: Ich würde es ungeachtet aller Konsequenzen immer wieder tun, weil es richtig ist. Es war richtig, mein Buch zu schreiben, und es ist richtig, wenn Sie es lesen, egal ob irgendein Polizist, Wärter, Knastbürokrat, Politiker oder Mediensprachrohr Ihnen etwas anderes erzählt. Zweifellos hat jeder in seinem Leben schon einmal von der »Meinungsfreiheit« und der »Pressefreiheit« gehört. Aber was ist eine solche »Freiheit« schon wert, wenn nicht jeder die Freiheit hat zu entscheiden, was er oder sie lesen oder hören will? Seien Sie sich beim Lesen dieser Zeilen bewußt, daß ich von einer Regierungsinstitution disziplinarisch dafür bestraft worden bin, mein Buch »...aus der Todeszelle« und den vor Ihnen liegenden Artikel geschrieben zu haben. Bereits seit meinem 15. Lebensjahr werde ich kontinuierlich von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika für das bestraft, was ich schreibe. Trotzdem habe ich unbeirrt weitergeschrieben. Und Sie sollten nicht aufhören zu lesen!
Übersetzung: Jürgen Heiser