Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 119 – 25./26. Mai 2013
Als mich die Nachricht vom tragischen und unbegreiflichen Tod von Malcolm Shabazz erreichte, war ich zutiefst schockiert und bekümmert. Er war der Enkel des schwarzen Nationalisten Malcolm X, einer Ikone der schwarzen Menschenrechtsbewegung. Der am 8. Oktober 1984 geborene Malcolm II verfügte über das schlanke, etwas kantige Äußere seines Vorfahren. Er glich ihm so sehr, daß man meinen konnte, in seinen Gesichtszügen zeige sich das Antlitz seines Großvaters. Aber das war nicht alles, was sich in seinem Gesicht widerspiegelte, denn seine Augen verrieten mit ihrem unverwechselbaren Schimmer den Schmerz desjenigen, der schon einmal Jahre im Gefängnis zugebracht hat. Das Unheil traf Malcolm Shabazz in der Blüte seiner Kindheit: Als 12jähriger Junge beging er einen Fehler, der sich augenblicklich in etwas Unvorstellbares verwandelte. Er hatte die Wohnung seiner Großmutter, Dr. Betty Shabazz, in Brand gesetzt, und sie, die ihn so liebte, kam in den Flammen um. Malcolm wurde verhaftet und zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt. Von da an war seine Kinderseele für immer mit Narben gezeichnet.
Die genauen Details der Ereignisse des 9. Mai 2013, als Malcolm durch eine Gewalttat in die Ewigkeit gestoßen wurde, sind noch nicht klar, aber die Meldungen über seinen Tod besagen, daß er während eines Aufenthalts in Mexiko mit Einheimischen über eine Rechnung in Streit geriet und von diesen totgeprügelt wurde. Dazu muß man wissen, daß US-Amerikaner in Mexiko so oder so nicht besonders beliebt sind.
In seinem relativ kurzen Leben war Malcolm wohl genauso viel durch die Welt gereist wie sein Großvater. Er lebte in Frankreich, wo er geboren wurde, und in den USA und besuchte Libyen, Venezuela, Syrien und – leider, wie man jetzt sagen muß – auch Mexiko. Malcolm Shabazz, der Enkel von Malcolm X, war erst 29 Jahre alt, als er zu seinen Vorfahren heimkehrte.
Übersetzung: Jürgen Heiser