Aus: junge Welt Nr. 117 – 23. Mai 2013 / Von Jürgen Heiser
Der Beginn des gerichtlichen Hauptverfahrens gegen den »Whistleblower« Bradley Manning rückt näher. Die Vorsitzende Richterin Denise Lind vom US-Militärgericht in Fort Meade, Maryland, hat am Dienstag den 3. Juni als ersten Verhandlungstag des auf zwölf Wochen angesetzten Prozesses bestätigt. Beim letzten Anhörungstermin vor dem Strafverfahren gegen den Obergefreiten Manning wegen der Weitergabe der Afghanistan- und Irak-Kriegsprotokolle und weiterer interner US-Dokumente an die Enthüllungsplattform Wikileaks gab die Richterin zudem mehrere Entscheidungen zur künftigen Verhandlungsführung bekannt.
Von den möglicherweise mehreren hundert Zeugen werden nach vorläufiger Einschätzung der Anklage 24 wegen ihrer eingeschränkten Aussagegenehmigung anonym bleiben müssen. Um das gewährleisten zu können, hatte das Gericht am 8. Mai in nichtöffentlicher Sitzung einen Probelauf mit dem früheren US-Botschafter in Äthiopien, Donald Yamamoto, durchgeführt. Dabei sollte überprüft werden, wie durch Verkleidung, Stimmverfremdung und Verwendung von Codeworten die Anonymität der vom Pentagon klassifizierten Zeugen gewahrt werden könnte. Da der Test offenbar unbefriedigend verlaufen war, kündigte Lind nun an, die Befragungen solcher Zeugen im Prozeß generell unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorzunehmen. Im Nachgang solle die Staatsanwaltschaft dann für die Öffentlichkeit ein Transkript anfertigen, aus dem die sensiblen Passagen gestrichen sind. Das »höher zu bewertende Interesse am Schutz der nationalen Sicherheit« wiege schwerer als das »Risiko eines Justizirrtums«, so die Richterin auf Einwände der Verteidigung. Dahinter müßten auch Mannings verfassungsmäßige Rechte zurücktreten.
Zudem räumt das Gericht der Anklagebehörde das Recht ein, jederzeit zu intervenieren, wenn durch die öffentliche Verhandlung Schaden für die nationale Sicherheit entstehen könnte. Jedoch riet Richterin Lind der Staatsanwaltschaft, nicht zu tief in die jeweilige Materie einzutauchen. Die Verteidigung habe schließlich das Recht, Einspruch einzulegen, und sie wolle nicht, daß das Verfahren »in mehrere Prozesse über die internationale Politik in den vielen Regionen der Welt zerfällt«.
Mehr beiläufig kündigte die Staatsanwaltschaft an, von den 22 Anklagepunkten gegen Manning einen zu streichen. So solle er nicht länger wegen der Veröffentlichung der als »Reykjavik-13« bekannt gewordenen Depesche des US-Außenministeriums verfolgt werden. Dieses diplomatische Dokument, in dem es um den politischen Druck auf Island während der Finanzkrise ging, war von Wikileaks bereits am 18. Februar 2010 veröffentlicht worden, also Monate vor den Hunderttausenden Depeschen, die von der Plattform später verbreitet wurden. Von den anderen 21 Vorwürfen, vor allem dem der »Unterstützung des Feindes«, wird das Pentagon indes nicht abrücken.
Das »Bradley Manning Support Network« erwartet vom Prozeß gegen Bradley Manning große internationale Aufmerksamkeit. Damit die Solidarität mit diesem und anderen von der US-Regierung verfolgten »Whistleblowern« für alle sichtbar wirde, ruft das Netzwerk für den 1. bis 8. Juni zu einer Aktionswoche auf.
www.bradleymanning.org