Kolumne # 633 vom 9.02.2013: Warum Schulen versagen
09.02.13 (von maj) Wenn das gesellschaftliche Vermögen privatisiert wird, muß das Bildungssystem scheitern
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 34 – 9./10. Februar 2013
Wenn wir uns das derzeitige öffentliche Schulsystem in den USA genauer ansehen, vor allem die Schulen in den Wohngebieten der Schwarzen und Latinos, dann erscheint es kaum vorstellbar, daß es eine Institution geben könnte, die ihre Funktion noch schlechter erfüllt als diese. Wir haben es praktisch mit dem Versagen eines Bildungssystems zu tun, das eher Schaden anrichtet als daß es etwas Gutes bewirkt. Viele US-Kommunen registrieren eine Schulaussteigerrate von 50 Prozent. In Städten wie Baltimore erreichen diese Quoten sogar bis zu 70 Prozent.
In der reichsten Nation der Welt wird das jedoch keineswegs als skandalös empfunden. Warum nicht? Weil die politischen Eliten, die den wirtschaftlichen Eliten dienen, entschlossen sind, unser gesellschaftliches Vermögen an die Privatisierungsindustrien zu verscherbeln. Kurz gesagt: Es geht schlicht und einfach ums Geld. Es ist eine bestimmte Art der Politik, die die Bildung, auf die unsere Kinder Anspruch haben, buchstäblich auf den Markt wirft. Hier rangiert das Profitinteresse an oberster Stelle, und es steht sogar über der ureigensten Aufgabe des Staates: seiner Jugend Wissen zu vermitteln.
Wo sollen wir nun beginnen, dieser langen Geschichte des Scheiterns etwas entgegenzusetzen? Es gab eine Zeit, da haben Gruppen überall im Land ihre eigenen Schulen gegründet, die sogenannten »Freedom Schools«. In ihrem Unterricht ging es um die wirkliche Welt und um das wirkliche Leben, um Geschichte, Politik, Gesellschaftsveränderung und ähnliche Themen. Die Freiheitsschulen gaben den Kindern etwas mit auf den Weg, das sie befähigte, ihr Leben zu meistern.
Die Generation der »Babyboomer« (geburtenstarke Jahrgänge nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre, als das US-Bildungssystem großzügig subventioniert und ausgebaut wurde, d.Red.) hat heute die enorme Chance, ihre wertvollen Bildungsressourcen für den Wiederaufbau von Freiheitsschulen nutzbar zu machen, in ihnen mitzuarbeiten und zu unterrichten. Der Effekt wäre, daß zwei gesellschaftliche Gruppierungen einander helfen würden. Die Alten stünden den Kindern zur Seite, und die Kinder böten der älteren Generation eine großartige Gelegenheit, als Freiwillige dem Gemeinwesen zu dienen.
Das öffentliche Schulwesen kann seine Aufgaben größtenteils nicht mehr erfüllen, weil das politische System seine grundlegende Rolle in der Gesellschaft beschädigt hat. Menschen in den Gemeinden und aus den sozialen Bewegungen können aber dafür sorgen, das Versagen der staatlichen Institutionen wettzumachen und die Schule wieder in eine Einrichtung zu verwandeln, die den Bedürfnissen der Kinder dient. Indem wir das tun, können wir wichtige Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft ziehen, um zwei Generationen zusammenbringen und uns so zu stärken.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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