Julian Assange – US-Führung »extrem wütend«
12.07.12 (von ivk-jW) Ehemaliger Militärnachrichtendienstler: Geheimgericht will Assange anklagen
Aus: junge Welt Nr. 160 – 12. Juli 2012 / Von Jürgen Heiser
Sollte Julian Assange, der Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, in die Hände der US-Behörden geraten, dann würden diese alles tun, »ihn so lange wie möglich wegzusperren – oder Schlimmeres«. Das sagte Thomas Andrews Drake, ein ehemaliger Abteilungsleiter der National Security Agency (NSA). Der US-Militärnachrichtendienst hat seinen Hauptsitz in Fort Meade, Maryland, wo derzeit der Prozeß gegen den »Whistleblower« Bradley Manning vorbereitet wird. In dem Interview, das Russia Today (RT) am Dienstag ausstrahlte, erklärte Drake, die politische Führung in den USA sei »extrem wütend« auf Assange. Deshalb bereite eine geheime Grand Jury wegen der von Wikileaks veröffentlichten Dokumente des Pentagon und des Außenministeriums eine Anklage gegen Assange vor. Man schrecke höheren Orts auch nicht vor einem Todesurteil gegen den »Whistleblower« zurück, warnte Drake.
Für den Exmitarbeiter der NSA ist die Sicherheitspolitik in den USA zu einer »Staatsreligion« verkommen. Er habe Verständnis dafür gehabt, daß nach dem 11. September 2001 etwas geschehen mußte, um weitere Anschläge zu vereiteln. Aber in den letzten Jahren sei die für jeden Bürger geltende Unschuldsvermutung in ihr Gegenteil verkehrt worden. »Heute ist jeder verdächtig, bis er seine Unschuld beweisen kann«, so der langjährige Softwareexperte der NSA. Deshalb habe er seine Karriere geopfert und die Alarmpfeife geblasen. Konsequenz war ein Verfahren gegen ihn nach dem Antispionagegesetz von 1917. »Auf Biegen und Brechen« habe man eine Anklage gegen ihn zusammenzimmern wollen. Dabei habe er nur gemäß dem Eid gehandelt, den er auf die Verfassung geschworen habe. »Sie erschlagen den Boten, weil sie nicht über seine Botschaft reden wollen«, faßte er seine Erfahrungen jahrelanger Verfolgung zusammen. Erst im letzten Jahr war die Staatsanwaltschaft von den Hauptanklagepunkten gegen ihn abgerückt.
Drake nannte die USA eine »weiche Tyrannei« und begründet das unter anderem mit dem Programm »Trailblazer« (Vorreiter), das die NSA zum »Flaggschiff der Totalüberwachung« gemacht habe. Damit werde jeder US-Bürger einer ungesetzlichen Überwachung seiner Privatsphäre unterworfen. Was sich vordergründig gegen eine terroristische Bedrohung von außen richte, habe das Land mittlerweile tatsächlich in »eine Plattform für die Datensammelwut« der Sicherheitsbehörden verwandelt. Dies stelle einen Bruch der US-Verfassung dar. In zunehmendem Maße würden unter dem Deckmantel des Patriot Acts riesige Datenmengen durch die NSA und andere Behörden eingesammelt und analysiert. Der Zugriff auf die bei Google und Facebook gehorteten sensiblen Informationen sei nur ein Teil von dem, was mit dem Ende April vom US-Repräsentantenhaus verabschiedeten »Cyber Intelligence Sharing and Protection Act« (CISPA) nun auf die nächsthöhere Stufe getrieben werde.
Mit den Stuxnet-Virenattacken gegen Iran sieht Drake das Pentagon längst in einem »Cyberkrieg«, über den man gezielt Informationen lanciere. »Damit wollen die USA klarmachen, wozu sie in der Lage sind«, so Drake. Nach innen und außen solle allen vor Augen geführt werden, was passiert, wenn man in Ungnade falle. Es gehe um das Erzeugen von Angst. »Angst ist in sich schon Kontrolle«, erklärte Drake. Sie erzeuge Selbstzensur durch die Drohung: »Wehe, du prangerst etwas an, dann trifft dich der Hammer!« Die Machteliten wollten nicht, daß die Leichen aus ihren Kellern ans Licht gezerrt werden. Deshalb würden Schmutzkampagnen gegen Journalisten wie Assange oder die Kollegen geführt, die es wagten, über die bei Drohnenangriffen getöteten Zivilisten zu berichten. »Bedenken Sie, meine eigene Regierung wollte mich kriminalisieren, nur weil ich vor beunruhigenden Entwicklungen gewarnt habe.«
Julian Assange befindet sich unterdessen in der vierten Woche in der Obhut der Botschaft Ecuadors in London. Dort führt er seine wöchentliche RT-Talk-Show »The World Tomorrow« fort und sprach zuletzt via Internet mit Anwar Ibrahim, einem Oppositionspolitiker aus Malaysia. Die Frist für Assanges Auslieferung an Schweden ist am Samstag abgelaufen. Ecuadors Regierung macht weiter deutlich, sich nicht unter Druck setzen zu lassen, sondern Assanges Bitte um politisches Asyl in Ruhe prüfen zu wollen.
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