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»Baut Schulen, keine Knäste!«

24.02.12 (von ivk-jw) Landesweiter Protesttag der Occupy-Bewegung in den USA prangert Zustände in Gefängnissen an

Aus: junge Welt Nr. 47 – 24. Februar 2012 / Von Jürgen Heiser

Die Occupy-Bewegung in den USA hatte den 20. Februar zum landesweiten Solidaritätstag ausgerufen. In 16 Städten fanden Kundgebungen vor Haftanstalten statt, um auf die Lage der über 2,2 Millionen gefangenen Frauen, Männer und Jugendlichen im US-Gefängnissystem aufmerksam zu machen. Über 800 Demonstranten waren am Montag vor das Osttor des Staatsgefängnisses San Quentin nahe San Francisco gezogen, um gegen unmenschliche Zustände hinter den Mauern zu protestieren. Sie forderten die Abschaffung der Isolationshaft und der Todesstrafe. Schluß sein müsse auch damit, daß Jugendliche ab 13 Jahren wie Erwachsene behandelt und zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt würden.
Auslöser für die Planung des Aktionstages waren vor allem die Hungerstreiks im kalifornischen Strafvollzug, an denen sich seit Sommer 2012 zeitweise bis zu 12000 Gefangene beteiligt hatten (jW berichtete). Ein weiterer Anstoß kam von Kevin Cooper, Gefangener im Todestrakt von San Quentin, der im Januar mit seinem offenen Brief »Occupy Death Row« ein großes Echo in der Bewegung erzeugt hatte. Der Kapitalismus brauche die Spaltung der Gesellschaft. Die Männer und Frauen in den US-Todestrakten seien aber nicht nur »Habenichtse«, so Cooper, sondern »das eine Prozent am untersten Ende« der Gesellschaft. »Vergeßt uns nicht«, forderte Cooper. Bald darauf beschloß die Vollversammlung von Occupy Oakland den Appell zum Aktionstag, dem sich 13 weitere Occupy-Ortsversammlungen und Dutzende Organisationen anschlossen.
Mit einer Schweigeminute gedachten die Demonstranten vor San Quentin des 27jährigen Christian Alexander Gomez, der am 2. Februar 2012 während des jüngsten befristeten Hungerstreiks im kalifornischen Corcoran State Prison gestorben war. Erinnert wurde auch an den 13. Dezember 2005, als Tausende vor demselben Gefängnis­tor vergeblich die Hinrichtung von Stanley »Tookie« Williams zu verhindern suchten, jedoch am gnadenlosen Tötungswillen des damaligen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger scheiterten.
Ähnliche Aktionen fanden am vergangenen Montag in Los Angeles, Fresno, Austin, Columbus, Denver, Durham, Baltimore, Boston, Philadelphia, New York, Eureka und Indio statt. In Columbus, Ohio, stand im Vordergrund, daß dieser Bundesstaat nach Texas die zweithöchste Exekutionsrate aufweist. In Washington D.C. war es die Verschärfung der Besuchsbedingungen. Trennscheiben sollen dort durch Fernsehmonitore ersetzt werden. In New York City prangerten die Demonstranten vor dem Lincoln-Gefängnis an, daß zahlreiche Jugendliche, die wegen Lappalien zu Haftstrafen verurteilt werden, damit unweigerlich aus der Schule gerissen und zu einer Knastkarriere verdammt würden. »Baut Schulen, keine Knäste!« war deshalb auch die zentrale Parole in Chicago.
Der Aufruf der Occupy-Bewegung brandmarkt das massenhafte Einsperren der »am stärksten Marginalisierten und Unterdrückten in unserer Gesellschaft«. Vor ihrer Inhaftierung lebten zwei Drittel der Eingesperrten »in Verhältnissen wirtschaftlicher Not«. Deshalb sei es an der Zeit, keine weiteren Milliarden in den Ausbau des gefängnisindustriellen Komplexes zu stecken, sondern die Lebensbedingungen in den notleidenden Gemeinden zu verbessern.
Bekämpft werden müsse vor allem der strukturelle Rassismus. Zwischen 1970 und 1995 sei die Inhaftierung von Afroamerikanern überproportional um das Siebenfache angestiegen. Schwarze stellten »zwölf Prozent der US-Bevölkerung, aber 53 Prozent der Gefängnisinsassen«. Heute seien »mehr Afroamerikaner der Strafjustiz unterstellt – hinter Gittern oder bedingt entlassen –, als es 1850, ein Jahrzehnt vor dem Bürgerkrieg, Sklaven gab«.

 
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