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Kolumne # 532 vom 5.03.2011: Flammen des Widerstands

05.03.11 (von maj) Der Hintergrund der hysterischen Reaktionen des Westens auf die Rebellionen in Nordafrika

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 54 – 5./6. März 2011

Während in den Straßen arabischer und nordafrikanischer Städte Flammen der Revolution und des Widerstands lodern, versuchen uns die Experten im eigenen Land – und unter ihnen vor allem die eher rechtsgerichteten Kräfte –, den Eindruck zu vermitteln, als drohe uns wegen dieser Entwicklungen der Untergang. Als Gründe werden die steigenden Benzinpreise genannt, und nahezu hysterisch wird das Schreckgespenst der überall lauernden »Islamisten« an die Wand gemalt.
Das Eigentümliche an Rebellionen ist, daß sie auf eine bestimmte Weise beginnen, aber niemand, wirklich niemand kann wissen, welchen Verlauf sie am Ende nehmen. Denn das macht die besondere Natur von Revolutionen aus. Die Wortführer der US-amerikanischen Expertenkaste scheinen vergessen zu haben, daß auch die Gründer der Vereinigten Staaten von Amerika, auf die sie sich so gern berufen und die sie als die hehren Propheten der Freiheit preisen, Revolutionäre waren, die sich – mit ein wenig finanzieller Unterstützung der Franzosen – gegen das mächtigste Imperium der damaligen Epoche stellten: das britische Königreich.
Allein schon die Vorstellung, eine Nation zu gründen, die nicht von einem König geführt wird, war zu jener Zeit eine revolutionäre Idee. Als die Franzosen ein paar Jahre später ihre Revolution machten, kamen deshalb die führenden Königshäuser Europas zusammen und verschworen sich dazu, diese revolutionären Bestrebungen zu zerschlagen. Zu dieser Zeit glaubte man noch daran, daß Könige und Königinnen im Namen Gottes und gemäß seinem heiligen Willen herrschten.
Die amerikanische, die französische und die haitianische Revolution setzten diesen Vorstellungen ein Ende. In einer seiner Reden als Abgeordneter des Repräsentantenhauses erklärte Abraham Lincoln am 12. Januar 1848 mit Blick auf den mexikanisch-amerikanischen Krieg vor dem US-Kongreß: »Es ist eine besondere Qualität von Revolutionen, nicht alten Wegen oder alten Gesetzen zu folgen, sondern mit beiden zu brechen und neue an ihre Stelle zu setzen.«
Die Kräfte, die sich heute in den verschiedenen Ländern Nordafrikas und des Persischen Golfs auflehnen, sind über Generationen von mächtigen, repressiven und skrupellosen Regierungen in Schach gehalten worden. Die meisten dieser Regime waren oder sind getreue Verbündete der USA. Die gesellschaftlichen Kräfte, die in den letzten Wochen entfesselt wurden, drohen jetzt, diese alten Beziehungen und das alte Verständnis von dem zu beenden, was Grundlage der bisherigen US-Nahostpolitik war.
Bemerkenswerterweise hatte keiner der »Experten« für diese Region, kaum einer der Wissenschaftler und schon gar keiner der Fernsehberichterstatter den Schimmer einer Ahnung, was da vor sich geht, bis die Dämme brachen und der Zorn der Unterdrückten die alten Verhältnisse ins Wanken brachte. Niemand kann heute wirklich vorhersagen, wie sich diese Kräfte weiter entfalten. Möglicherweise werden sie sich noch über viele Jahre ausbreiten und sogar auf andere Regionen der Welt übergreifen. Auch das gehört zur Natur von Revolutionen.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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