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Kolumne # 523 vom 31.12.2010: Vielzitierter Antiimperialist

31.12.10 (von maj) Vom CIA-Berater zum Kritiker des US-Außenpolitik: Die Wandlung von Chalmers Ashby Johnson

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 306 –31. Dez. 2010, 1./2. Jan. 2011

Der am 20. November 2010 verstorbene Chalmers Ashby Johnson war 30 Jahre lang Professor für Politikwissenschaft an der University of California in San Diego und Berkeley. Er galt als einer der profiliertesten Kenner der US-Asienpolitik und war Präsident des Japan Policy Research Institute sowie Vorsitzender des Center for Chinese Studies der University of San Francisco. Von seinen zahlreichen Büchern ist das im Jahr 2000 erschienene »Blowback: The Costs and Consequences of the American Empire« (Titel der deutschen Ausgabe: »Ein Imperium verfällt. Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie«) das wohl bekannteste.
Der im Originaltitel verwendete Begriff »Rückstoß« stammt ursprünglich nicht von Johnson, aber er machte ihn bekannt. Johnson bezog sich damit auf seine These, daß eine Nation erntet, was sie sät, »selbst wenn sie nicht genau weiß oder versteht, was sie gesät hat«, so Johnson. Ohne seine Arbeit wäre vielen nicht bewußt, daß die USA rund um den Globus über 700 Militärstützpunkte unterhalten, deren Existenz in einigen Ländern selbst vor der einheimischen Bevölkerung verheimlicht wird.
Als der Wissenschaftler jetzt im Alter von 79 Jahren starb, lag ein Leben hinter ihm, das nur als außergewöhnlich bezeichnet werden kann und in dessen letzter Dekade er als vielzitierter Antiimperialist prominent wurde. Als bemerkenswert galt Johnsons Systemkritik vor allem deshalb, weil er sich vom rechten Konservativen, Marineoffizier und CIA-Berater zum Gegner der Politik des US-Imperiums entwickelt hatte. Über sich selber sagte Johnson, er sei vor seiner Wandlung ein »Handlanger des Imperiums« gewesen. Damit stellte er weniger auf seine militärische Laufbahn ab als vielmehr auf sein Wirken nach dem Militärdienst, als er für US-Denkfabriken und politische Stiftungen arbeitete, weil, so Johnson, »dort Geld zu machen war«.
Als er im Rahmen dieser Forschung Japan, China und andere asiatische Gesellschaften studierte, passierte etwas Unerwartetes: Er begriff, daß Revolutionen weniger durch ein von außen gesteuertes Ränkespiel, sondern durch soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten ausgelöst werden. Seine wissenschaftliche Arbeit führte ihn zu einem tieferen globalen Geschichtsverständnis, aus dem heraus er gegenüber dem US-Imperium eine Warnung aussprach: »Wie die Reiche der Chinesen, Osmanen, Habsburger, Nazi-Deutschlands, Japans, Englands, Frankreichs, der Niederlande, Portugals und der Sowjetunion steuern auch wir auf den Scheitelpunkt eines großen Wasserfalls zu und stehen kurz davor, hinabzustürzen.«
In seiner Kindheit erlebte Johnson die Große Depression, kämpfte während seines Dienstes in der US-Marine im Koreakrieg und verbrachte als Offizier in den Zeiten des Kalten Krieges viele Jahre im Ausland. Später absolvierte er eine Hochschulausbildung, entwickelte sich schließlich zu einem intellektuellen Kritiker von Washingtons Politik und leistete damit einen immens großen Beitrag zum Verständnis gesellschaftlichen Lebens. Die US-Hegemonie mache bestimmte Gruppen und Länder zu Opfern und provoziere Vergeltungsschläge, schrieb Johnson fast zwei Jahre vor den Anschlägen vom 11. September 2001.
In dem auf die Attentate folgenden »Krieg gegen den Terrorismus« sah Johnson vor allem eine willkommene Fortsetzung des Kalten Krieges, mit dem der gigantische militärisch-industrielle Komplex der USA seine Zukunft sichern wollte. In einem Interview, das Amy Goodman für die Fernsehsendung Democracy Now! 2007 mit Johnson führte, sagte er: »Imperialismus ist eine Form der Tyrannei. ... Wir sprechen davon, die Demokratie zu verbreiten, aber wir meinen damit die Verbreitung der Demokratie mit dem Sturmgewehr im Anschlag. Das ist ein Widerspruch in sich und funktioniert nicht. Wer auf diese Weise ›demokratisiert‹ wird und auch nur einen Funken Respekt vor sich selbst hat, wird über Rache nachsinnen.«

Übersetzung: Jürgen Heiser

Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag, den 6. Januar 2011, in Berlin wird Mumia Abu-Jamal mit einer Grußbotschaft zu Wort kommen

 
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