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Kolumne # 519 vom 4.12.2010: Der andere Krieg

05.12.10 (von maj) Zum Arsenal des US-amerikanischen Feldzugs gegen Arme und Arbeiter gehören Zwangsräumungen und die Anhebung von Kreditzinsen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 284 – 4./5. Dezember 2010

Es ist jetzt knapp zwanzig Jahre her, daß der von den USA angeführte Westen den zweiten Golf-Krieg gegen Irak und seinen Präsidenten Saddam Hussein geführt hat. Vor über sieben Jahren entfesselte die Regierung des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush zusammen mit der »Koalition der Willigen« erneut den Krieg gegen das Zweistromland und ließ Saddam Hussein 2006 hinrichten. Auch heute nimmt die Intensität der Kriegshandlungen seitens der US-Besatzungsmacht in Irak entgegen offizieller Propaganda nicht ab. Und der Krieg in Afghanistan wird Tag für Tag ausgeweitet.
Aber es findet auch noch ein anderer Krieg statt, über den Fernsehen, Radio und Presse kaum berichten. Jedenfalls wird er nicht als Krieg bezeichnet, obwohl in seinem Verlauf ein psychisches und physisches Gemetzel stattfindet. Auch in diesem Krieg gibt es Verluste, Verlierer und Gewinner. Die Verlierer wurden erbarmungslos aus ihren Wohnhäusern vertrieben, man hat ihnen zwangsweise ihre Arbeit genommen, manche wurden in den Wahnsinn oder noch Schlimmeres getrieben. Ja, auch Tote hat es gegeben. Aber all das wird von den Medien vor der Öffentlichkeit verborgen. Das hängt damit zusammen, daß dieser Krieg seinem Wesen nach ein Klassenkrieg ist, der im Interesse der herrschenden Klasse und der Finanzindustrie gegen die Armen und die Arbeiterklasse geführt wird. Zu seinem Waffenarsenal gehören Arbeitslosigkeit, Zwangsräumungen und die Anhebung von Kreditzinsen, die viele in den Ruin treiben.
Während der Mehrheit der Bevölkerung ihr letztes Geld aus den Taschen gezogen wird, werden gleichzeitig die Kassen der Banken mit Milliarden an öffentlichen Geldern gefüllt. Außerdem setzt die Regierung das Geld, das sie den Armen, Arbeitslosen und Arbeitenden abpreßt, zur Finanzierung auswärtiger Kriege ein. Fast drei Billionen US-Dollar sind seit 2001 in die Kriege in Irak und Afghanistan geflossen. Ein beträchtlicher Teil davon diente der Stützung korrupter Regierungen, die in den internationalen Drogenhandel verstrickt sind, um sich an der Macht zu halten. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Billionen an Steuergeldern werden dafür verschleudert, absolut unnötige Kriege gegen andere Länder zu führen, und Hunderte Milliarden werden in die Kassen privater Banken und Finanzkonzerne gestopft, während der Zuwachs an Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Hoffnungslosigkeit epische Ausmaße annimmt, wie man sie seit Generationen nicht mehr gekannt hat.
Sofern das öffentliche Schulsystem überhaupt noch funktioniert, findet der Unterricht in Schulgebäuden statt, die durch die Kürzungen im Bildungsbereich seit langem verfallen. Bibliotheken werden geschlossen, die Institutionen des öffentlichen Dienstes trocknen finanziell aus, und die überbelegten Gefängnisse platzen aus allen Nähten.
Kriege gehen an beiden Seiten nicht spurlos vorbei, weder an Siegern noch an Verlierern. Im Zeitalter des militärisch-industriellen Komplexes bringen sie einer sehr begrenzten Zahl von Kriegsgewinnern großen Wohlstand. Für alle anderen verursachen sie Kosten, die weit über fahnengeschmückte Särge, geschundene Körper, zerstörte Seelen und das ganz banale Erfassen von Opferzahlen vermeintlicher Feinde hinausgehen. Das ganze Land wird unweigerlich einer permanenten Rezession sowie Arbeitslosigkeit, Zwangsräumungen, Obdachlosigkeit und letztendlich einer allgemeinen Hoffnungslosigkeit unterworfen. Dieser Krieg richtet sich gegen uns alle, wenn wir uns ihm nicht gemeinsam entgegenstellen.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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