Kolumne 09.01.2010: Präsident des Imperiums
09.01.10 (von maj) Warum Parallelen zwischen den US-Kriegen in Vietnam und Afghanistan nicht abwegig sind
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 7 – 9./10. Januar 2010
In einem ausführlichen Kommentar in der Vorweihnachtsausgabe des US-Magazins Newsweek wurde US-Präsident Barack Obama als »postimperialer« Staatsführer bezeichnet, der danach trachte, wieder ein »Gleichgewicht« in den auswärtigen Angelegenheiten der USA herzustellen und eine Art disziplinierten Realismus in den Beziehungen mit anderen Ländern zu entwickeln.
Newsweek will angesichts der immer wieder zitierten gefürchteten Vergleiche der Kriege in Vietnam und Afghanistan keine Analogie zwischen den Staatsführungen dieser beiden Länder sehen. In Südvietnam habe das »schicksalhafte« – gemeint ist hier wohl: autoritäre – Regime von Ngo Dinh Diem, dem ersten Präsidenten der Republik Südvietnam, und seines Bruders Pierre Martin Ngo Dinh Thuc, Erzbischof von Hue, geherrscht. Beide entstammten der Nguyen-Dynastie, einer mächtigen Familie des nationalistischen katholischen Adels. Im Gegensatz zur Situation der 1950er bis 1960er Jahre in Südvietnam sei der afghanische Staatspräsident Hamid Karsai durch Wahlen legitimiert und verfüge über einen nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung.
Zu behaupten, Karsai sei demokratisch gewählt worden, ist angesichts des Betrugs bei den Präsidentschaftswahlen vom August 2009 ein schlechter Witz. Laut einem UN-Report kam es dabei zu mehreren hunderttausend gefälschten Stimmabgaben zugunsten von Karsai. Dieser wurde am Ende trotzdem als Präsident vereidigt, weil die geplante Stichwahl zwischen ihm und Abdullah Abdullah, seinem stärksten Kontrahenten, abgesagt wurde, da der Herausforderer aus Protest vor befürchteten neuen Unregelmäßigkeiten seine Kandidatur zurückgezogen hatte.
In einem kürzlich in der Washington Post veröffentlichten Artikel war zu lesen, in weiten Teilen Afghanistans herrschten die Taliban als »Schattenregierung« mit parallel eingesetzen Gouverneuren, Polizeichefs, Steuerbeamten und Dorfverwaltungen. Die Taliban kontrollierten »weite Landstriche, vor allem in Afghanistans ausgedehnten ländlichen Gebieten«. In vielen dieser Bezirke ist das von den USA gestützte Karsai-Regime praktisch nicht präsent.
Eine korrupte, von einer ausländischen Macht gestützte Regierung, die weithin als Marionettenregierung angesehen wird – das klingt bekannt, oder? Haben wir es also doch mit einem weiteren Vietnam zu tun? Vielleicht. Auch damals folgte die willfährige Presse den Berichten aus dem Weißen Haus und dem Pentagon und zeichnete ein rosiges Bild der Situation in Vietnam, bis dort 1975 alles zusammenstürzte und die Kolonialmacht USA das Land in heilloser Flucht verließ. Seit Jahren verkaufen die Medien die Kriege gegen Afghanistan und Irak als gerechte Vergeltung für die Anschläge vom 11. September 2001. Warum sollte sich daran jetzt etwas ändern?
Daß Obama als »postimperialer« Präsident bezeichnet wird, ist genauso lächerlich wie die Behauptung, mit seinem Regierungsantritt habe für die USA eine »postrassistische« Ära begonnen. In fremde Länder einzumarschieren, die keinerlei aggressive Akte gegen die USA gerichtet haben, Bomben auf die Zivilbevölkerung zu werfen und Tausende und Abertausende Menschen zu töten, diese Länder militärisch zu besetzen und völlig abhängige Marionettenregierungen einzusetzen – das ist imperiale Politik in Reinform.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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