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Kolumne 29.08.09: Alltäglicher Rassismus

29.08.09 (von maj) Obama findet seine Verurteilung von Polizeigewalt gegen unschuldigen Schwarzen »unglücklich«

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 201 - 29./30. August 2009

In der letzten Juliwoche machte der 58jährige Professor Dr. Henry Gates an der Tür seines Hauses in Cambridge, Massachusetts, eine Erfahrung besonderer Art: Polizisten fielen über ihn her und führten ihn als Verdächtigen in Handschellen ab. Nachdem US-Präsident Barack Obama die Polizeiaktion gegen den schwarzen Harvard-Professor öffentlich zunächst als »dumm« gebrandmarkt hatte, knickte er kurz darauf ein und nannte seine Wortwahl »unglücklich«.
Gates hatte offenbar spät am Abend Probleme beim Öffnen seiner Haustür. Nachbarn glaubten an einen Einbruch und alarmierten die Polizei. Obwohl Gates sich als Bewohner des Hauses auswies, wurde er festgenommen. Nach seiner Freilassung beschuldigte der Wissenschaftler die Polizei rassistischen Verhaltens. Im Gegenzug warfen die Beamten Gates vor, ausfällig und beleidigend gegen sie geworden zu sein.
Die Verhaftung des Professors, die Demütigungen, die er erleiden mußte, und der ganze öffentliche Tumult über das Ereignis und die Reaktion Obamas haben deutlich gemacht, daß Schwarz und Weiß in den USA weiterhin in sehr verschiedenen Welten leben, in denen es kaum so etwas wie »normale« Begegnungen gibt. Und auch wenn einige Witzbolde in diesem Fall den fortgesetzten »Zusammenstoß der Klassen« sehen wollen, erlaube ich mir, anderer Meinung zu sein, weil dieser Fall genau das Gegenteil beweist: Wenn es um Afroamerikaner geht, egal welchen Status sie haben und welcher Klasse sie angehören, egal ob sie reich oder prominent sind, gelten für sie nicht mehr die normalen Regeln. Schwarze repräsentieren in Wahrheit die Ausnahme von der Regel.
US-Bürger glaubten seit jeher an den Spruch »My home is my castle« – solange es nicht um das Zuhause eines Schwarzen geht. Wie sonst war es möglich, daß Gates von seiner Türschwelle weg in den Polizeigewahrsam verschleppt wurde – angeblich wegen »Störung des öffentlichen Friedens«? Aber wie kann er einen Frieden stören, den es gar nicht gibt?
Nach den geltenden Gesetzen endet das Hausrecht eines Eigenheimbesitzers nicht an seiner Haustür, sondern am Straßenrand. Bis dorthin gehört alles zum Grundstück. Dr. Gates wurde nicht festgenommen, weil er ein Gesetz, sondern weil er die Gefühle eines Polizisten verletzt hatte, als dieser sein Haus betrat. Der Polizist reagierte verärgert, als Gates ihn bat, sein Haus zu verlassen.
Präsident Obama hatte recht, als er die Festnahme »dumm« nannte, aber wie immer obsiegte die Realpolitik, als Rassisten im ganzen Land aufschrien und lauthals protestierten. Nehmen wir die E-Mail eines Polizisten aus Boston, der den angesehenen Hochschullehrer Gates als »Bananen fressenden Dschungelaffen« bezeichnete. Man stelle sich vor, was das heißt, wenn dieser Polizist seine E-Mail nicht irgendwem privat, sondern einem Zeitungsreporter schickte. Diese Leute nehmen Gates Verhalten persönlich, genauso wie der Polizist in Gates’ Haus dessen Insistieren auf seine Rechte persönlich nahm.
Nun hat Präsident Obama den Polizisten und Gates »auf ein Bier« ins Weiße Haus eingeladen. Aber kann ein Glas Bier diesen Brand löschen? Das ist zu bezweifeln, weil dabei außer acht gelassen wird, was tagtäglich in den USA unzähligen Männern und Frauen passiert, die weder einen Harvard-Doktortitel noch einen Freund im Weißen Haus haben. Die traurige Wahrheit ist, daß die Tatsache, als Schwarzer in den USA geboren zu sein, gleichbedeutend ist mit dem Hineingeborenwerden in eine der unteren Kasten Indiens, wo die ungeschriebenen Gesetze der Absonderung und Ungleichheit fortbestehen, obwohl die Verfassung auch den Bürgern In­diens etwas anderes verspricht.
Obamas Wahl zum US-Präsidenten hat die gesellschaftliche Wirklichkeit keinen Deut verändert, verschleiert sie bestenfalls, indem die häßlichen Verhältnisse, denen Schwarze unterworfen sind, von den Eliten des Landes mit dem von Ihnen proklamierten »Post-Rassismus« schöngeredet werden.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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