DER SPIEGEL unterstützt Polizistenwitwe, die »will, daß Mumia stirbt«26.08.09 (von ivk) Im Magazin Der Spiegel Nr. 35 vom 24.8.2009 veröffentlicht Cordula Meyer, Leiterin des Spiegel-Büros Washington D.C., unter dem Titel »Die Feuer der Hölle« einen fünfseitigen Artikel unter der Rubrik »Kultur«, in dem sich die Kultur der Verkommenheit einer Journaille zeigt, der keine Verdrehung und keine Lüge zu unverschämt ist, wenn es darum geht, den mutigen Kampf eines Menschen gegen seine Unterdrücker zu verleumden. Dieser IVK-Artikel wurde im April 2010 um eine politische Kritik ergänzt, die der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker am Artikel des SPIEGEL übt
Verteidigung und IVK werden sich juristisch mit diesem Artikel auseinandersetzen. Es wird dabei vor allem um den Fakt gehen, daß Cordula Meyer als selbsternannte Staatsanwältin versucht, mit falschen »Tatsachen«, geschickt eingesetzten Andeutungen und einer diffusen Stimmungmache Mumia als »Polizistenkiller« hinzustellen. Ergänzung im April 2010 In seinem ausführlichen Artikel »28 Jahre im Todestrakt« geht Rolf Becker unter anderem auf den Artikel des Spiegel ein: Cordula Meyer, Leiterin des Spiegel-Büros in Washington, war es aufgrund ihrer vorgegebenen Absicht, sich für Mumia und gegen die Todesstrafe zu engagieren, gelungen, Mumia und seinen Anwalt Robert Bryan zu interviewen. Resultat: Die Journalistin gibt Tatsachen, die Mumia möglicherweise entlasten könnten, falsch wieder, spart wichtige Zusammenhänge aus und erweckt den Eindruck, Abu-Jamal und sein Anwalt hätten doch etwas zu verbergen und der Verurteilte befände sich zu Recht in der Todeszelle. Warum sich Mumia und seine Verteidigung seit Jahrzehnten um die Wahrheit in einem neuen Verfahren bemühen, bleibt ausgeblendet. Die Darstellung des Tatverlaufs im Spiegel entspricht folgerichtig der Version der Staatsanwaltschaft. Bezirksstaatsanwalt Hugh Burns aus Philadelphia wird mit den Worten zitiert: »Ich kann mir keinen eindeutigeren Fall vorstellen.« Statt sorgfältiger Recherche präsentiert Der Spiegel auf rührselige Weise das nach Meinung der Autorin bislang von der Öffentlichkeit ignorierte Schicksal der Polizistenwitwe Maureen Faulkner, die »will, daß Mumia stirbt«, weil sie, solange er lebt, weiterhin »Feuer der Hölle« erleiden müsse. Zitat: »Maureen fing an, sich zu wehren. Sie schrieb Briefe, sie organisierte einen Marsch von Polizisten zum Regierungssitz von Pennsylvania. Dort trafen sich Maureens Freunde und die Mumia-Unterstützer: ›Laßt Mumia frei‹, riefen die einen, ›tötet ihn jetzt‹, die anderen. Im Frühjahr 1995 veröffentlichte Mumia Abu-Jamal sein erstes Buch: ›… aus der Todeszelle: Live from Death Row‹. Maureen mietete ein Flugzeug mit einem Banner, das über dem Gebäude von Mumias Verlag kreiste. »Addison-Wesley unterstützt Polizistenmörder« stand auf dem Banner.« Unterschlagen wird, daß keineswegs Maureen Faulkner den Marsch zum Regierungssitz organisieren und schon gar nicht das Flugzeug mit dem Banner mieten konnte, wohl aber die über 300.000 Mitglieder starke, als rassistisch geltende Polizeiorganisation »Fraternal Order of Police«. »Mumia ist der Held. Und Danny Faulkner war nur ein weißer Polizist im rassistischen Amerika« – so lautet der Schlußsatz des Artikels, der bereits drei Tage nach seinem Erscheinen von den Philadelphia Daily News begrüßt wurde als »Wendepunkt für Maureens Bemühungen, die Propagandamaschine von Abu-Jamal zu besiegen« (»a turning point in Maureen‘s effort to overcome the Abu-Jamal propaganda machine«). Plaziert ist der Spiegel-Artikel in der Rubrik Kultur unter dem Stichwort »Mythen«, denen laut Spiegel alle anhängen, die sich engagieren – in diesem Fall für einen »Polizistenmörder«, dem sie die angemessene Strafe – Hinrichtung durch die Giftspritze – ersparen zu müssen glauben. Die Spiegel-Redaktion, die den denunzierenden Artikel abgesegnet hat, nennt stellvertretend für die weltweite Bewegung, die sich für Mumia einsetzt, nur wenige Namen: »Ende März (2009; R. B.) ehrte die Berliner Akademie der Künste den Todeskandidaten mit einer großen Solidaritätsveranstaltung. Auf dem Podium saßen Robert Bryan, der ehemalige FDP-Innenminister Gerhart Baum und Günter Wallraff. Bryan sprach über Rassismus. Baum sagte, die Menschenwürde werde mit Füßen getreten. Wallraff sagte, daß es auch um Abu-Jamals Botschaft gehe, die eines ›Humanisten‹ und ›Pazifisten‹.« Worum es dem Spiegel über das (selbstverständlich unausgesprochene) Absegnen des Todesurteils hinaus offenbar geht, ist die Disqualifizierung jeglicher kritischer Denkansätze und aller sozialen und politischen Anläufe gegen die Normierung gesellschaftlichen Bewußtseins. Mumia: »Wenn gesagt wird, die Medien seien ein ›Werkzeug des Staates‹, dann ist das reine Untertreibung. Diese Medien ›informieren‹ nicht, sie mißinformieren und uniformieren ihre Konsumenten, verblenden uns und unser Denken, damit wir nichts mehr sehen, was noch wert sein könnte, von uns angesehen und näher betrachtet zu werden.« Der Spiegel liegt im Trend. Es bedarf keiner Gleichschaltung der bürgerlichen Medien, sie vollzieht sich als eigenständiger Prozeß, der keiner Verordnung mehr bedarf. Die Preisgabe bürgerlicher Werte und der Verfall bürgerlicher Kultur sind bedingt durch den Niedergang des Bürgertums selbst. »Was beweist die Geschichte der Ideen anderes, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet?« (Manifest) Um seine gefährdete ökonomische Basis zu sichern, bedarf der Kapitalismus zunehmender Kontrolle der denkfähigen Menschen und erhöhten Einsatzes an Machtmitteln. Die mit den bürgerlichen Revolutionen durchgesetzten und in den Verfassungen bürgerlicher Staaten verankerten Wertvorstellungen müssen im Interesse der Eigentumssicherung an den Produktionsmitteln Schritt für Schritt – dem Fortschreiten der Krise entsprechend – preisgegeben werden. Bertolt Brecht 1935: »In Wirklichkeit ist die bürgerliche Welt nur unter Aufgabe der bürgerlichen Kultur zu retten.« |
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