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Kolumne 16.05.09: Eine Partei für sich

16.05.09 (von maj) Das wichtigste politische Ziel für einen US-Senator ist es, US-Senator zu bleiben

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 112 - 16./17. Mai 2009

Alexis de Tocqueville, Autor des legendären Werkes »Über die Demokratie in Amerika«, stellte schon vor über 170 Jahren zum Verhältnis der politischen Parteien in den USA fest, sie führten regelrecht Krieg gegeneinander. Das ist sicherlich auch heute noch zutreffend, wenn es um die durchschnittlichen einfachen Parteimitglieder geht. Im Kampf um politischen Einfluß lassen sie nichts aus, was dem politischen Gegner schaden könnte. Aber kann man das auch über die führenden Repräsentanten der Parteien sagen?
Der plötzliche Parteiwechsel des 79jährigen US-Senators Arlen Specter könnte eine Antwort auf diese Frage geben. Specter war bis vor kurzem der führende Kopf der Republikaner im Bundesstaat Pennsylvania und das dienstälteste aktive Mitglied seiner Partei. Als er sich jedoch jetzt in den parteiinternen Vorentscheidungen für die Senatswahlen 2010 keine Chance gegen einen stramm konservativen Bewerber ausrechnen konnte, kehrte er seiner Partei den Rücken. Er hatte ihr fast dreißig Jahre gedient und verdankte ihr lange Zeit den sicheren Sitz im US-Senat, aber nun schlug er sich auf die Seite der gegnerischen Demokratischen Partei, die unter US-Präsident Barack H. Obama auf allen Ebenen Mehrheiten vorzuweisen hat.
Politische Experten und Fernsehmoderatoren gaben in ihren ersten hitzigen Reaktionen Kommentare von sich, die den Schritt des Senators als »ein politisches Erdbeben« oder als »welterschütternd« für die Republikaner qualifizierten. Man machte sich sogar schon Gedanken über mögliche Abstimmungsergebnisse bei Gesetzen und Vorlagen, die erst noch geschrieben werden müssen.
Der Grund für Specters Wechsel ist recht simpel: Er will seine Wiederwahl erreichen, aber ihm war klar, daß er das in seiner Grand Old Party, den Republikanern, nicht mehr schaffen würde.
Es ist schon oft gesagt worden, daß der US-Senat ein Millionärsclub ist; aber er ist mehr als das. Der Senat ist der hyperexklusivste Club der Welt. Dort sitzen 100 Männer und Frauen, die im Grunde genommen den unmittelbaren Hofstaat der politischen Macht bilden. Der Senat übt wichtige Kontrollfunktionen gegenüber dem US-Präsidenten aus. Darunter fallen die Ratifikation internationaler Verträge, ein Mitspracherecht bei der Ernennung hoher Regierungsbeamter und das Einnehmen der Rolle des Gerichts in einem Amtsenthebungsverfahren. Mit Ausnahme des Regierungsbezirks Washington D.C. entsendet jeder der 50 Bundesstaaten zwei Abgeordnete in den Senat. Sie werden für sechs Jahre gewählt, aber wer einmal auf diesem Posten sitzt, hat schon fast die Garantie, wiedergewählt zu werden. Senator Specter traf allerdings gern unabhängige Entscheidungen, ein Charakterzug, der seine ehemaligen Parteifreunde irritierte. Konservative Kritiker nannten ihn vor seinem Parteiwechsel einen »RINO«, was »republican in name only« bedeutet, nur dem Namen nach ein Republikaner. Und so schien seine parteiinterne Nominierung mehr als ungewiß.
Der kanadische Kolumnist Richard J. Needham sagte einmal: »Macht ist eine Droge, von der die Politiker völlig abhängig sind.« Genau darum geht es: Macht. Arlen Specter, der während seines gesamten Berufslebens zur politischen Elite gehörte, war nicht bereit, diese weitreichende politische Macht aufzugeben.
Durch seinen Parteiwechsel hat Specter den Demokraten im Senat nun zur kritischen Mehrheit von 60 Stimmen verholfen. Mit seinem Mandat stellt er sicher, daß seine früheren Parteifreunde nun keinerlei Gesetzgebungsverfahren mehr blockieren können.
Der weise englische Dichter Alexander Pope hat einst gesagt: »Parteigeist ist bestenfalls der Wahn der vielen zum Nutzen der wenigen.« Arlen Specter hat gezeigt: Er ist eine Partei für sich.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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