Kolumne 28.03.09: Straßenräuber in Anzügen
28.03.09 (von maj) Finanzkapital und Politik haben die Krise in Gang gesetzt und sind unfähig, sie zu überwinden
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 74 - 28./29. März 2009
Mittlerweile weiß es die ganze Welt: über Jahre fühlten sich Banken, Investmentbanker und Börsenmakler auf dem Finanzparkett wie von einem Fiebertanz gepackt. Sie machten traumhafte Gewinne auf den Rücken ihrer Opfer – Millionen Eigenheimbesitzer aus einfachen Verhältnissen, die froh waren, ohne Eigenkapital für sich und ihre Familien ein Zuhause schaffen zu können. Die Finanzjongleure hatten sie mit Hypotheken und Krediten mit variabler Verzinsung geködert. Die anfänglich niedrigen und manchmal gegen Null tendierenden Zinssätze dieser faulen Kredite stiegen schließlich in schwindelerregende Höhen und wurden den Eigenheimbesitzern zum Verhängnis. Sie saßen in der Falle. Und schneller als sie eingezogen waren, wurden sie über Nacht mittels Zwangsversteigerungen und Zwangsräumungen aus ihren Häusern wieder hinauskatapultiert und ihr verlorener Besitz als Beute der Kreditgangster erneut auf den Markt geworfen.
Was denken diese Straßenräuber in den grauen Anzügen über die Wirtschaft, die sie gerade an den Rand einer ungeheuren Katastrophe getrieben haben? Einen Begriff davon konnte man bekommen, als einer der »Reporter«, die sich auf den Fernsehkanälen über den Stand der Aktienkurse verbreiten, auf dem New Yorker Börsenparkett schier außer sich geriet. Über die Nachricht, daß die US-Regierung beabsichtige, die Eigenheimbesitzer, die verzweifelt darum ringen, ihre Hypothekenraten zu zahlen, finanziell zu unterstützen. Was für eine Fehlleitung öffentlicher Gelder das sei, entfuhr es dem Börsenreporter. Er wirkte wie ein quiekendes Schwein, das entsetzt darüber ist, den Freßtrog nicht mehr für sich allein zu haben. Und mit ihm quiekte der ganze Schweinestall an der Wall Street aus vollem Halse aus Wut darüber, die Pfründe der staatlichen Rettungspakete teilen zu müssen.
Die Wirtschaft dieses Landes geht nicht nur wegen der an der Wall Street grassierenden Habgier von epischen Ausmaßen zu Boden, denn das langwierige und Milliarden und Abermilliarden verschlingende Debakel des Irak-Krieges hat seinen Teil dazu beigetragen. Doch die Barone des Finanzkapitals spielten dabei die entscheidende Rolle. Die Ironie der Geschichte ist nicht, daß sie unersättlich sind, sondern daß ihnen von der Politik auch noch willfährig immer mehr zugeschoben wird!
Wenn das Kapital eines ist, dann ist es hemmungslos unmoralisch. Profit geht ihm über alles. Aber wenn es in den USA eine Bevölkerungsgruppe gibt, die das weiß, weil sie es schon immer am eigenen Leib erfahren hat, dann die 40 Millionen Afroamerikaner. Denn ihre Vorfahren waren Eigentum der Grundherren und Plantagenbesitzer. Sie gehörten zu deren lebendem Inventar wie Gäule und Hausschweine. Aber nicht nur die herrschende und besitzende Klasse, sondern die große Mehrheit der europäischen Einwanderer hatte mit der Sklaverei kein Problem. Die Ausnahme bildete eine kleine radikale Minderheit aufrechter Gegner der Sklaverei, der Abolitionisten, von denen viele aus zutiefst christlich-religiösen Motiven handelten. Die Mehrheit jedoch empfand die Sklaverei als so normal wie das Vertreiben der indigenen Bevölkerung der Amerikas von ihrem seit Jahrtausenden angestammten Land.
Wenn die Wirtschaft heute am Boden ist, dann liegt das nicht nur an mangelnden Konjunkturspritzen, wie uns bürgerliche Politiker und Ökonomen weismachen wollen. Die Ursache ist vor allem im tiefsitzenden Mißtrauen zwischen unten und oben zu suchen.
Das in Schieflage befindliche Haus des Kapitals zeigt tiefe Risse von innen und außen, und es droht einzustürzen. Dieser Verfallsprozeß muß unweigerlich fortschreiten, weil von denen, die dieses Haus retten wollen, niemand die Frage nach den grundlegenden Ursachen stellt.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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