»Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!« – Freiheit für Mumia Abu-Jamal!
27.03.09 (von ivk) Der folgende IVK-Artikel wurde in der Sonderbeilage der Rote Hilfe e.V. am 5. März 2009 in junge Welt veröffentlicht – zusammen mit dem nachfolgenden Interview »Baut die Bewegung auf!« von Mumia Abu-Jamal
Mumia Abu-Jamal, Jahrgang 1954, von Beruf Journalist und Schriftsteller, sitzt seit Juli 1982 in der Todeszelle. Das ehemalige Mitglied der Black Panther Party wurde am 9. Dezember 1981 unter dem Vorwurf verhaftet, in Philadelphia einen Polizisten erschossen zu haben. Fest steht nur, daß er seinen Bruder in einer Verkehrskontrolle vor den Mißhandlungen des weißen Polizisten Daniel Faulkner schützen wollte. Am Ende der Auseinandersetzung lagen Faulkner und Mumia Abu-Jamal schwerverletzt im Rinnstein, der Polizist starb. Der wirkliche Hergang der Ereignisse wurde gerichtlich nie geklärt. Stattdessen wurde Abu-Jamal im Juli 1982 nach kurzem und rassistisch motiviertem Prozeß zum Tode verurteilt, obwohl er betonte, nicht auf den Polizisten geschossen zu haben. Seit 1995 kämpft er, unterstützt von einer internationalen Solidaritätsbewegung, um die Wiederaufnahme seines Verfahrens – nunmehr in der letzten Instanz vor dem Obersten Gerichtshof der USA.
Das Jahr 2009 ist das entscheidende in der Solidarität mit Mumia Abu Jamal. Es geht jetzt wirklich um alles – Leben oder Tod. Sein Hauptverteidiger Robert R. Bryan hat es in seiner eindringlichen Botschaft an die XIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 10. Januar 2009 in Berlin deutlich gemacht:
»Mein Mandant Mumia Abu-Jamal befindet sich seit fast drei Jahrzehnten in den Todestrakten von Pennyslnavia. Auch wenn er in einer Zelle mit den Ausmaßen eines kleinen Badezimmers eingesperrt ist, ist sein Geist frei und ungebrochen. Fünf Bücher hat er in dieser dunklen Zelle geschrieben und ist im Laufe der Jahre zu einem anerkannten Autor und P.E.N.-Mitglied geworden. Wöchentlich schreibt er Kolumnen über Menschenrechtsfragen und was diese Welt bewegt, die rund um den Globus gelesen und gehört werden.
Jetzt befindet er sich in einer äußerst kritischen Phase des Kampfes um Gerechtigkeit und deshalb braucht er eure Solidarität so dringend wie nie zuvor. Unser juristischer Kampf findet jetzt vor dem höchsten US-Gericht, dem Supreme Court, statt, und zwar in zwei voneinander unabhängigen Rechtsverfahren. Zum einen wenden wir uns gegen den Versuch der Staatsanwaltschaft, die durch eine Bundesgerichtsentscheidung vom 27. März 2008 anvisierte Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Haft zu verhindern und die Hinrichtung durchzusetzen. Die zweite Auseinandersetzung dreht sich um den rassistisch motivierten Auschluß von schwarzen Geschworenen, wie ihn die Staatsanwaltschaft und der vorsitzende Richter im Verfahren von 1982 betrieben haben. Gerade wegen dieses Verfassungsverstoßes haben wir gute Chancen, das Todesurteil von 1982 zu Fall zu bringen.
Nach der Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens durch alle bisherigen Gerichtsinstanzen kann das Todesurteil aber nur noch aufgehoben und ein neuer Prozeß angeordnet werden, wenn der Oberste Gerichtshof anerkennt, daß es in diesem Verfahren seit Mumias Verhaftung am 9. Dezember 1981 einen permanenten Verfassungsbruch durch den Rassismus gegeben hat, der den Fall wie ein roter Faden durchzieht.
Im Kampf für Mumias Freiheit befinden wir uns deshalb am Scheideweg. Mumias Leben hängt am seidenen Faden. Es geht um Leben oder Tod. Die Verteidigung braucht deshalb eure Unterstützung. Wir brauchen dringend Spenden, um unsere Arbeit fortführen zu können, wie es angesichts des mächtigen Gegners geboten ist. Macht diesen Kampf zu eurer eigenen Sache. Erhebt eure Stimme! Jetzt ist entschiedeneres Handeln notwendig. Daß Mumia überhaupt noch im Todestrakt sitzt, ist ein Affront gegenüber zivilisierten Standards und internationalen Rechtsgarantien. Ich werde nicht eher ruhen, bis Mumia frei ist!«
Todesurteil nach wie vor rechtskräftig
Das Todesurteil ist trotz der Entscheidung des Bundesberufungsgerichts vom 27. März 2008 nach wie vor rechtskräftig, da diese Entscheidung durch die von Verteidigung und Staatsanwaltschaft eingelegten Rechtsmittel nicht in Kraft treten konnte. Das bedeutet in dramatischer Konsequenz, daß der Gouverneur von Pennsylvania einen neuen Hinrichtungsbefehl unterzeichnen kann, sobald der Oberste Gerichtshof der USA die Bemühungen der Verteidigung um einen neues Prozeß abschmettert und sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem Drängen auf die Hirnrichtung durchsetzt. Das ist die große Gefahr, die Mumia Abu-Jamal jetzt droht, und gegen die wir alle Kräfte mobilisieren müssen.
Vor einem Jahr haben wir an dieser Stelle erklärt: »Mumia Abu-Jamal, der schon mit 15 Jahren Pressesprecher der Black Panther Party (BPP) von Philadelphia war und Redakteur der Parteizeitung The Black Panther wurde, hat auch nach dem Ende der BPP nicht aufgehört, für eine Veränderung der nationalen und internationalen Verhältnisse einzutreten, die durch Rassismus, Krieg und kapitalistische Globalisierung bestimmt werden. Er hat es in den zehn Jahren vor seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981 als kritischer und unbequemer Radioreporter gemacht – weshalb er von Polizei und FBI verfolgt wurde –, und er macht es seitdem weiter als Journalist und Schriftsteller aus dem Todestrakt. Wie viele andere politische Gefangene, die in den USA seit Jahrzehnten im Knast sitzen, repräsentiert er die Kontinuität oppositioneller Basispolitik seit den 1960er Jahren. Und so wie in den USA ist es auch in vielen anderen Ländern, in denen die Gefangenen für unsere politische Geschichte stehen. Die Gefangenen und unsere Solidarität mit ihnen müssen deshalb integraler Bestandteil unserer heutigen politischen Praxis sein.«
»Diese Welt muß unser sein«
Vor einem Jahr war mit George W. Bush noch ein US-Präsident an der Macht, der als Gouverneur von Texas die Hinrichtungsbefehle gegen 158 Gefangene unterzeichnet und als 43. US-Präsident die Foltergefängnisse Abu Ghraib und Guantánamo möglich gemacht hatte. Der neue US-Präsident Barack H. Obama wendet sich mit seiner Politik zwar gegen Folter und Gunantánamo, aber er ist kein erklärter Gegner der Todesstrafe. Wichtig ist, daß seine Wahl nur möglich wurde wegen einer bislang ungekannten Mobilisierung unter den Wählerinnen und Wählern, über die Mumia in seinem Beitrag für die letzte Rosa-Luxemburg-Konferenz gesagt hat, daß sie sich als gesellschaftliche Kraft »nicht nur zusammenschlossen, um Obama zu wählen, sondern vor allem auch, um die US-Rechte mit ihrer ruinösen Politik vor die Tür zu setzen«. Diese Bewegung von unten muß nun vor aller Welt den Zusammenhang herstellen, daß der Geist von Abu Ghraib und Guantánamo unmittelbar dem rassistischen US-Gefängnissystem entspringen, von dem das »Todesstrafe« genannte rassistische Lynchen ein wesentlicher Bestandteil ist. Das momentane Aufatmen in den USA darf zu keiner Atempause führen, die das Elend der Gefangenen in den Todestrakten verlängert: Die Barbarei der Todesstrafe muß beseitigt werden!
Die Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe ist Teil dieses dialektischen Prozesses in der US-Bevölkerung und in den sozialen und politischen Basisbewegungen. Diese Basisbewegungen werden sich wieder ihrer eigenen Kraft und realen Gegenmacht bewußt. Internationalistische Politik zu entwickeln heißt deshalb im Zusammenhang mit dem Kampf zur Abschaffung der Todesstrafe, daß die Linke und die Basisbewegungen hier in der BRD und Europa nicht nur vor Ort unmittelbare Solidaritätsaktivitäten für Mumias Leben und Freiheit entfalten sollten, sondern daß sie darin auch den direkten Kontakt und die solidarische Zusammenarbeit mit den Bewegungen in den USA praktisch entwickeln müssen, was das Erlernen neuer gemeinsamer Strategien zur revolutionären gesellschaftlichen Umgestaltung einschließt: »Diese Welt muß unser sein« – wie es dazu im Lied »Die Internationale« heißt.
Wir schließen deshalb diesen Beitrag mit den Worten des von Angela Davis und Robert R. Bryan mitgegründeten Internationalen Komitees zur Abschaffung der Todessstrafe, das am 2. Juli 2006 anläßlich des 30. Jahrestages der Wiedereinführung der Todesstrafe konstatierte:
»Wie kein zweiter hat Mumia Abu-Jamal dem Kampf gegen die Todesstrafe ein Gesicht gegeben. Er ist zu einem wichtigen Symbol dieses Kampfes geworden und darf deshalb nicht jenen Kräften ausgeliefert bleiben, die seine Hinrichtung in einen Sieg über alle Gegner der Todesstrafe verwandeln wollen. Wir stehen deshalb fest an seiner Seite und fordern alle Basisbewegungen, demokratischen Kräfte und Verteidiger der Menschenrechte und des Völkerrechts weltweit dazu auf, diese Forderungen unüberhörbar öffentlich zu erheben:
Abschaffung der Todesstrafe in den USA und weltweit!
Sofortige Freilassung von Mumia Abu-Jamal und Garantien für ein neues faires Verfahren!«
Internationales Verteidigungskomitee (IVK) Bremen
Link zum Interview mit Mumia Abu-Jamal »Baut die Bewegung auf!«:
Link zum Interview in der Sonerbeilage der Roten Hilfe in junge Welt vom 5. März 2009: Bitte HIER klicken!
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