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Kolumne 10.01.09: Die »öffentliche Meinung«

10.01.09 (von maj) Jahrzehntelange psychologische Kriegführung gegen die Arbeiterschaft zeigt ihre Wirkung

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 8 - 10./11. Jan. 2009
(Ausgabe zur XIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin)

Es passiert täglich, daß verschiedenste Erzeugnisse der gedruckten oder elektronischen Medien nahezu gleichzeitig mit einer identischen Nachricht herauskommen. Obwohl die Medien den Anspruch erheben, sich voneinander zu unterscheiden, gerinnen immer wieder bestimmte Meldungen in kürzester Zeit zu einer vermeintlich »öffentlichen Meinung«, selbst wenn die darin festgeschriebenen Ansichten in Wirklichkeit nur die bornierte Meinung einer kleinen Elite widerspiegeln.
Exemplarisch konnten wir das in der Zurichtung der US-Gesellschaft auf den Irak-Krieg verfolgen, als die große Mehrheit der Medien sich zu einer Stimme vereinigte und sich mit Nachdruck für den auf der Basis von Lügen vorbereiteten Krieg aussprachen. Ende letzten Jahres verbreiteten die Medien einen politischen Abscheu vor den Autoherstellern, wobei sie mit einer besonderen Vehemenz gegen die Gewerkschaft der Automobilarbeiter wetterten, die United Auto Workers (UAW). Deren Mitglieder wurden als habgierige, faule Taugenichtse hingestellt, die mehr verdienten als ihre Arbeit wert sei. Auf die Männer und Frauen an den Fließbändern wurde mit Fingern gezeigt, aber kaum jemand thematisierte die astronomisch hohen Vergütungen und Boni der Vorstände und Manager dieses ins Trudeln geratenen Industriezweiges.
In diesen Diffamierungen zeigen sich die Früchte einer jahrzehntelangen psychologischen Kriegführung gegen Arbeiterinnen und Arbeiter, deren Saat in der Anfangszeit des vergangenen Jahrhunderts gelegt wurde, als Kapital und Justiz einen Meinungskrieg gegen die erstarkenden Gewerkschaften führten, um sie kriminalisieren zu können.
In jahrzehntelangen bitteren Kämpfen rang die Arbeiterbewegung die gegen sie wirkenden reaktionären Gesetze nieder. Doch das Kapital wollte die erkämpften Arbeiterrechte nicht auf Dauer hinnehmen, und so wartete es auf den günstigen Augenblick, um sie wieder auszuhebeln.
Dieser Zeitpunkt reifte heran, als der Republikaner Ronald Reagan 1981 als 40. US-Präsidenten sein Amt übernahm. Reagan sprach vor seiner Wiederwahl 1984 mit seiner Wahlspotserie »Good Morning America« vor allem das Nationalgefühl der US-Bürger an und suggerierte einen neuen Aufbruch. Originalton: »Es wird wieder Morgen in Amerika. Heute werden mehr Männer und Frauen zur Arbeit gehen als je zuvor in der Geschichte unseres Landes. Mit Zinsätzen, die heute nur noch halb so hoch sind wie 1980, werden fast 2000 Familien sich heute ein neues Zuhause kaufen, mehr als je zuvor in den letzten vier Jahren. Heute werden 6500 junge Männer und Frauen heiraten, und mit einer Inflationsrate, die nur halb so hoch ist wie vor vier Jahren, können sie vertrauensvoll in die Zukunft blicken. Es wird wieder Morgen in Amerika, und unter der Führung von Präsident Reagan wird unser Land stolzer, stärker und besser.«
Obwohl die optimistische Aussage der Spots ausgerechnet mit Bildern von Menschen auf dem Weg zur Arbeit die Metapher der Erneuerung der USA vermitteln sollte, war gerade die erste Amtszeit von Reagan von einer Kampfansage an die Gewerkschaften geprägt. Beispielhaft der Streik der Fluglotsen 1981, an denen ein Exempel statuiert und sie sprichwörtlich an die Kette gelegt wurden, um alle Gewerkschaften einzuschüchtern.
Ganz egal, welche der beiden Parteien seitdem den Präsidenten stellte, es wurde alles getan, das Kapital versöhnlich zu stimmen, und den Werktätigen blies ein kalter Wind ins Gesicht. William J. Clinton paukte das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) durch den Kongreß und schwächte damit die Schlagkraft der US-Arbeiterschaft, weil den US-Unternehmen der Schritt zur Verlagerung ihrer Produktionsstätten in Billiglohnländer erleichtert wurde.
Es ist geradezu eine Ironie, daß nicht wenige Journalisten, die antigewerkschaftliche Ressentiments schüren, Mitglieder der Gewerkschaft Newspaper Guild sind, in der sich nach eigenen Worten die »Kommunikationsarbeiter Amerikas« organisieren. Das zeigt: Ausschlaggebend ist nicht, wer in den Medien gewerkschaftlich organisiert ist, sondern wem die Medien gehören.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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