Kolumne 6.12.08: Vorwärts in die Vergangenheit
06.12.08 (von maj) Über den Charakter des Kabinetts von Barack Obama und das Wesen der US-Politik
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 285 - 6./7. Dez. 2008
Es wäre leicht, sich von der Euphorie dieser Tage über die Wahl Barack Obamas zum 44. US-Präsidenten davontragen zu lassen. Viel zu leicht. Doch trotz des anfänglichen Siegestaumels, den vor allem jene Medien befördert haben, die sich seit jeher so vortrefflich in ihre servile Rolle gegenüber den Mächtigen fügen, haben wir genug Gründe, beunruhigt zu sein. Diese Medien, die angeblich aus dem Irak-Debakel gelernt haben, wie falsch es war, den Kriegskurs der Bush-Regierung zu beklatschen, bejubeln nun schon wieder uneingeschränkt die neuen Kabinettsmitglieder, die der designierte US-Präsident zusammen mit seinen engsten Beratern ausgesucht und der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Von den Medien hätten wir uns einen Moment des Innehaltens gewünscht, weil die neuen Regierungsmitglieder, die zusammen mit Obama im Januar 2009 ihre Ämter übernehmen werden, doch eher für das Altbewährte stehen und nicht für den monatelang propagierten Wandel.
Die hohe Konzentration der alten Garde von Ex-US-Präsident William Clinton im Kabinett Obama steht eher für ein »Vorwärts in die Vergangenheit« als für einen Aufbruch in eine wirklich neue Zeit. Es trifft natürlich zu, daß nach den acht fürchterlichen Jahren der Regierungszeit unter George W. Bush jede Alternative die Hoffnung erweckt, daß es jetzt nur noch besser werden kann. Es ist aber nicht weniger wahr, daß viele der Probleme, mit denen die USA heute zu kämpfen haben, ihren Ausgangspunkt in der Zeit der Clinton-Präsidentschaft haben. Oder sie bestanden sogar schon vorher und haben sich unter Clinton nur verschlimmert.
Die Clinton-Regierung hat beispielsweise das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement) entwickelt und ohne größere Widerstände durch den Kongreß gebracht. Unter Parolen mit den Stichwörtern »freier Handel« und »Globalisierung« wurde in der Folge die Inlandsproduktion ausgehöhlt, weil NAFTA jene Unternehmer begünstigt, die auf der Suche nach billigeren Arbeitskräften und größeren Profiten mit ihren Firmen das Land verlassen. Clinton hatte seinen Wahlsieg vor allem den Arbeiterinnen und Arbeitern zu verdanken, aber loyal war er nur gegenüber den Konzernen und Banken, und ihren Interessen diente er zuallererst und uneingeschränkt.
Auch jetzt war es wieder die arbeitende Bevölkerung, die sich auf die Seite des Senators der Demokratischen Partei aus dem Bundesstaat Illinois schlug. Wenn Meldungen über Obamas Beraterstab zutreffen, sind es nun vor allem Gefolgsleute des 2006 verstorbenen Ökonomen Milton Friedman, die der neue US-Präsident in sein Team von Wirtschaftsfachleuten berufen hat. Friedman war seit seinem 1962 veröffentlichten Bestseller »Kapitalismus und Freiheit« zu einem anerkannten Vorkämpfer des Wirtschaftsliberalismus geworden, der die kapitalistische Ökonomie von den »Fesseln staatlicher Kontrolle und Reglementierung« befreien will, weil nur so politische und gesellschaftliche Freiheit zu erlangen sei. Obama will sich also künftig auf Ökonomen als Berater verlassen, die weiterhin vertreten, daß sich die Märkte selbst regulieren. Indem Obama sie in seinen Regierungsstab beruft, verläßt er sich künftig genau auf jene Kräfte, deren Politik zur momentan um sich greifenden Finanz- und Wirtschaftskrise geführt hat.
Und nun hören wir sogar noch, daß Hillary Rodham-Clinton im Kabinett Obama den Posten der Außenministerin übernehmen wird. Eine glühende Verfechterin der Politik der Ära Clinton – das klingt nicht gerade nach einem bevorstehenden Wandel. Was Medien und Öffentlichkeit bei dieser Nachricht aufatmen ließ, hat nichts mit dem Einlösen von Wahlversprechen zu tun, sondern es zeigt nur noch einmal in aller Deutlichkeit, daß die Bush-Ära eine solche Katastrophe war, daß der Rückgriff auf die staatstragenden Kräfte der 1990er Jahre im Vergleich dazu harmlos erscheint.
Obamas Kabinettsliste ist kein Beweis für einen Strategiewechsel. Sie soll sowohl Verbündeten als auch Feinden gegenüber unterstreichen, daß es nicht um Wandel und wirkliche Veränderungen geht, sondern um eine Kontinuität in der Regierungspolitik der USA. Obama signalisiert damit vor allem eins: Auch wenn ab dem 20. Januar 2009 ein neues Gesicht an der Spitze der Regierung steht, ändert das nichts am Wesen der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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