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Kolumne 8.11.08: Verdammte dieser Erde

08.11.08 (von maj) In Afrika haben die Herrschenden keine Kopie der europäischen Verhältnisse etabliert, sondern ihre Karikatur. Aufgesplittert in Klans, fällt der Kontinent als reife Frucht in die Hände der Kolonialisten

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 261 - 8./9. Nov. 2008

Während sich die Ökono­mien im Westen und Osten im freien Fall befinden, wird auch die Wirtschaft in den afrikanischen Ländern von großen Erschütterungen heimgesucht. Die Lebensmittelpreise steigen, und mehr und mehr Menschen leiden Hunger. Der Kampf ums tägliche Überleben wird härter, und die politischen Führer scheinen von den realen Problemen der Bevölkerungn weiter entfernt zu sein denn je.
Wo auch immer es in Afrika ökonomische Probleme oder ethnischen Zwist gibt, wird man unwillkürlich an das Wirken von Dr. Frantz Fanon erinnert, jenen in Martinique geborenen Psychiater, der sich zum Revolutionär entwickelte, als er sich in den Dienst der algerischen Revolution stellte. 1966 erschien sein Buch »Die Verdammten dieser Erde«, das vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika von unzähligen Menschen gelesen wurde. Noch aus heutiger Sicht ist es ein herausragendes Werk, das es wert ist, gründlich studiert zu werden. Sein scharfsinniger Autor hat den schlechten Regierungsstil der neuen afrikanischen Staatsführungen vorausgesagt, wenn sie sich nicht vereinigen und wahrhaft unabhängige und sozialistische Gesellschaften aufbauen würden.
Viele politische Führer des postkolonialen Afrika haben ihre Bildung in eurozentristischen Schulen erhalten und haben dann versucht, die erlernten Konzepte und Theorien auf die afrikanischen Gesellschaften zu übertragen. Das konnte nur in einer Katastrophe enden. Fanon trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er die Rolle der eurozentristisch orientierten afrikanischen Politiker bei ihrem Versuch beschreibt, in den früheren Kolonien kleine Versatzstücke Europas wiedererstehen zu lassen:
»Wir haben gesehen, daß in den unterentwickelt gehaltenen Ländern keine wirkliche Bourgeoisie existiert; es gibt nur eine kleine habgierige Kaste, eifrig und unersättlich, ausgestattet mit dem Verstand von Krämerseelen, die nur allzu gern die Dividenden einstreichen, die die früheren Kolonialmächte an sie austeilen. Diese nach schnellem Reichtum strebende Mittelklasse erweist sich als unfähig, große Ideen oder Erfindungsreichtum hervorzubringen. Sie denkt nur an das, was sie in europäischen Schulbüchern gelesen hat, und unmerklich wird sie nicht zu einer Kopie Europas, sondern zu seiner Karikatur.«
Als diese Politiker in der ökonomischen Theorie kapitalistischer Kolonialisierung unterrichtet wurden, war die wichtigste Lektion, wie man den Kolonialismus wiedererschafft, statt ihn zu zerstören. Viele afrikanische Nationen wurden durch tödliche und zerstörerische ethnische Zusammenstöße zerrissen. Länder wie Kenia, Nigeria, Ruanda, Mauretanien und viele andere sind Beispiele dafür. Fanon schrieb weiter in »Die Verdammten dieser Erde«, daß die »nationale Bourgeoisie..., die das Kolonialdenken in seiner korruptesten Form völlig in sich aufgesogen hat, von den Europäern eine Rassenphilosophie übernimmt und auf dem Kontinent etabliert, die für die Zukunft Afrikas äußerst schädlich ist«.
Nachdem ihnen also seit langem die europäische Praxis des »Teile und Herrsche« eingeschärft wurde, beuten einige afrikanische Führer die ethnischen Differenzen (den sogenannten Tribalismus) aus, um Konflikte zwischen den Volksgruppen zu schüren. Deshalb kämpfen Hutu gegen Tutsi, gehen Zulu gewaltsam gegen die Xhosa vor, die Kalenjin gegen Kikuyu, um nur einige wenige dieser Konflikte zu nennen. Eine friedliche Zusammenführung dieser Gemeinschaften erscheint als unerreichbare Illusion. Die Mehrheit der Widerstreitenden ist völlig in ihren ethischen Identitäten verhaftet, während nur wenige nach einer nationalen Identität streben, und kaum jemand hat eine Vorstellung davon, was die Einheit Afrikas wirklich bedeutet.
Aufgesplittert in Klans, fällt Afrika als reife Frucht in die Hände der neuen Kolonialisten, für die der Kontinent ein riesengroßer Selbstbedienungsladen ist, den man problemlos ausplündern kann.
Fanon hat das alles schon vor einem halben Jahrhundert vorausgesehen, und Kwame Nkrumah, der ghanaische Begründer des Panafrikanismus, hat versucht, die Afrikaner dagegen zu organisieren. Doch während die Welt begeistert dem designierten US-Präsidenten Obama zujubelt, der auch familiäre Wurzeln in Kenia hat, wird der afrikanische Kontinent mehr denn je von Korruption, Elend und Hunger geplagt.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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