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Kolumne 6.09.08: Die Angst vor dem Fremden

06.09.08 (von maj) Die Ablehnung nichtweißer Menschen ist in den USA so etwas wie der Motor der Politik. Wer weiß ist und wer nicht, wird allerdings über die Jahrzehnte und von Fall zu Fall neu bestimmt

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 209 - 6./7. Sept. 2008

Im unendlich großen Meer des politischen Lebens der USA existiert ein gefährlicher Grundstrom, der von Zeit zu Zeit eine große Sogwirkung entwickeln kann. Trotzdem wird er von den tragenden politischen Figuren des US-amerikanischen Establishments kaum erwähnt, geschweige denn in der gebotenen Weise als Problem diskutiert. Dieses permanent unterschwellig vorhandene Thema heißt »Immigration«. In den aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist damit vor allem die Einwandererbewegung aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern gemeint.
Das Gemurmel der Stimmen, die mit dem Thema unablässig die Rundfunkwellen und die Internetblogs überfluten, kann sich zeitweise derart steigern, daß die ganze Gesellschaft wie von einem Fieber befallen wird. Im Kern zeigt sich in diesem xenophobischen Fieberzustand die Angst vor einer »dunklen, braunen Flut«, die angeblich wie ein Tsunami über das Land fällt und all das fortzuspülen droht, was für das weiße Amerika und seine Eliten von Bedeutung ist. Diese Angst besteht schon seit Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie ist mal stärker und mal schwächer und hat sich als manifestes Problem in die sogenannte amerikanische Psyche eingebrannt. Als der US-Kongreß das erste Mal zusammentrat, verabschiedeten die »Väter der Nation« im Eilverfahren ein Einbürgerungsgesetz, das die US-Staatsbürgerschaft ausschließlich Weißen zubilligte. In der Folge wurden die Gesetzesbücher der USA vollgeschrieben mit Grundsatzurteilen über die Frage, wer »weiß« ist und wer nicht. Durch diese gesetzlichen Vorgaben wurden Millionen von Menschen, die in das Land einwandern wollten, abgewiesen, weil sie beispielsweise aus Indien, China, Syrien, Palästina oder aus der Türkei stammten. In vielen Fällen verschoben sich die Kritierien für das, was als »whiteness« verstanden wurde, im Laufe der Zeit wie tektonische Platten in die eine oder andere Richtung. Das führte mehr oder weniger willkürlich entweder zur Bewilligung oder zur Ablehnung der Einbürgerung von den jeweiligen Antragstellern.
Das Problem hierbei war, daß Einwanderer, die in einem Jahr noch als »nichtweiß« eingestuft wurden, schon fünf Jahre später als »weiß« gelten konnten. Grund dafür konnte ein politisches Wahlergebnis mit seinen nachfolgenden gesetzgeberischen Veränderungen sein oder auch nur die Entscheidung eines Einzelrichters. Daran hat sich bis heute trotz Sturm und Drang und unglaublicher Hyperventilation im weltumspannenden Internet nichts geändert. Wie es im Moment scheint, werden die »Braunen« von heute die »Weißen« von morgen sein. Das ist ja auch nicht besonders schwer vorstellbar, wenn wir uns vor Augen halten, daß die Vorfahren vieler Lateinamerikaner aus Spanien, Portugal, Italien und anderen südeuropäischen Ländern stammen. Auf der anderen Seite stammen viele Lateinamerikaner aber von den Ureinwohnern des Kontinents und von den aus Afrika verschleppten Sklaven ab. Das bietet Anlaß für neue Definitionen und Kriterienbildung.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in den USA italienische und jüdische Einwanderer wegen ihrer Herkunft verhöhnt und als bedrohliche Eindringlinge angesehen. Zeitweise wurden sie wie eine Seuche behandelt, vor deren Ansteckung man sich schützen mußte. Ihre Sprachen und Bräuche erzeugten Angst und stifteten unter denen, die sich für die einzig wahren Amerikaner hielten, Unruhe und einen fatalen Fremdenhaß. Wie der Hollywoodstreifen »Gangs of New York« gezeigt hat, haben in den USA geborene Iren mit Zähnen und Krallen sogar gegen ihre irischen Landsleute gekämpft, die neu in die USA einwandern wollten. Ein Beweis dafür, wie viele Illusionen sich um den Begriff »Nationalität« ranken.
Die Angst vor dem Fremden ist in den USA permanent vorhanden. Auch wenn sie in ihrer heutigen Ausdrucksform wie die früheren vergehen wird, wird sie neue Auslöser finden, immer wieder zyklisch ansteigen oder gezielt geschürt werden.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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