Kolumne 5.01.08: Prätorianische Garde
05.01.08 (von maj) Im Westen nichts Neues: Die CIA vernichtet als Dienerin ihres Herrn Beweise – ganz »legal«
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 305 - 5./6. Januar 2008
Was an den jüngsten Berichten über die von der CIA vernichteten Folter-Videobänder überrascht, ist nur die »Überraschung«, mit der Medien und Politik in den USA und im übrigen kapitalistischen Westen auf diese Enthüllungen reagieren. Diese gespielte Entrüstung fußt auf der Mär, der US-Geheimdienst diene nur dem Sammeln und Auswerten von Nachrichten aus aller Welt und übermittle die Ergebnisse pflichtgemäß an die amtierende Regierung.
In Wirklichkeit ist die CIA seit ihrer Gründung eine Art Prätorianische Garde wie jene im Alten Rom, die alles gemacht hat, was ihr von oben befohlen wurde. Die Betonung liegt hier ausdrücklich auf »alles«.
Der investigative Journalist John Kelly hat 2002 in seinem Artikel »Crimes and Silence: The CIA’s Criminal Acts and the Media’s Silence« (Verbrechen und Stillschweigen: Die Verbrechen der CIA und das Schweigen der Medien) geschrieben, der Agentur unterliefen nicht nur gelegentliche Fehler in der Lagebeurteilung, sondern sie begehe jährlich Tausende Verbrechen überall auf der Welt. Als Quelle zitierte Kelly die CIA selbst aus einem Bericht an den Geheimdienstauschuß des US-Repäsentantenhauses: »Der CS (Clandestine Service) ist nur ein Teil der IC (Intelligence Community), tatsächlich also der Regierung, in der Hunderte von Angestellten täglich gehalten sind, hochrangige Gesetze in vielen Ländern der Welt zu brechen.«
Die Autoren der Personalstudie schätzen, daß sich diese kriminellen Gesetzesverstöße »mehrere hundertmal pro Tag« ereignen oder mehrere hunderttausend Mal im Jahr. Wie haben Regierung und Gesetzgeber darauf reagiert, als diese Neuigkeiten im Geheimdienstauschuß des US-Repräsentantenhauses ans Licht kamen? Der Geheimdienstausschuß des Senats brachte im Kongreß ein Gesetz ein, mit dem die CIA-Mitarbeiter in den Genuß einer Immunität kommen sollten, wie sie auch für Regierungsmitglieder gilt. Danach sollten alle Aktivitäten legal sein, die auf Anweisung übergeordneter Stellen ausgeführt werden. Kelly dazu: »Das ist schlicht und einfach ein Nazi-Argument.«
Am 27. Dezember 2000 unterzeichnete der damalige US-Präsident William Clinton das als »Intelligence Authorization Act« überschriebene Gesetz, wodurch es Rechtskraft erlangte. Mit Deckung durch eben diesen »Act« können CIA-Agenten nun gegen das Völkerrecht und internationale Abkommen verstoßen, solange sie auf Befehl von oben handeln.
Nach den Recherchen unerschrockener Journalisten und nach den Angaben früherer CIA-Beamter haben US-Geheimdienste in der Vergangenheit Regierungen gestürzt, Mordanschläge inszeniert, Terroristen (sogenannte Contras) unterstützt, die Gewaltexzesse gegen die eigene Bevölkerung entfesselten, Bombenanschläge verübt, nationale Ökonomien und Demokratien untergraben und viele andere Verbrechen begangen. Und immer lagen entsprechende Befehle dazu vor.
In diesem Kontext erscheint die Vernichtung von Videobändern – selbst wenn darauf zu sehen war, wie vermeintliche Al-Qaida-Mitglieder gefoltert wurden – vergleichsweise harmlos. Warum soll aber gerade diese Maßnahme verwerflich sein, wenn alle anderen kriminellen und illegalen Aktivitäten es nicht wert sind, daß darüber auch nur berichtet wird? Die einfache Antwort: Weil die marktbeherrschenden kapitalistischen Medien das Handeln der Regierung nicht ernsthaft hinterfragen wollen. Wir konnten das sehr gut beobachten, als die Regierung unter US-Präsident George W. Bush dem Volk eine Mogelpackung unterjubelte, um den Irak-Krieg beginnen zu können. Ausgerechnet in jener Zeit, als die Bevölkerung ihre Presse am meisten gebraucht hätte, blieb diese untätig und erwies sich als nachgiebig und unterwürfig.
Die US-Medien sind auch heute wieder weit davon entfernt, sich angemessen damit auseinanderzusetzen, was die CIA tut oder was sie ihrem Charakter nach wirklich ist. Die US-Geheimdienste sind Prätorianische Garden, ihrem Imperator gegenüber zum Gehorsam verpflichtet. Sein Wort ist ihnen Befehl. Warum also überrascht sein, wenn eine Abteilung dieser Prätorianer Beweismittel über die Folterpraktiken vernichtet hat, mit denen die US-Regierung Krieg führen läßt? Auch sie haben natürlich nur »auf Befehl von oben« gehandelt.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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