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Kolumne 14.07.07: Kopfgeld auf Assata Shakur

16.07.07 (von maj) Zum sechzigsten Geburtstag der schwarzen US-Revolutionärin, die auf Kuba im Exil lebt

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 161 - 14./15. Juli 2007

Der »Krieg gegen den Terrorismus«, den die US-Regierung der Welt 2001 erklärt hat, richtet sich auch gegen einzelne Personen. Im Mai 2005 setzte das US-Justizministerium eine Belohnung von 850000 US-Dollar für die Ergreifung von Assata Shakur aus, des früheren Mitglieds der Black Panther Party und der Black Liberation Army. Damit wollte man dem Auslieferungsersuchen für die im kubanischen Exil lebende Freiheitskämpferin Nachdruck verleihen. Grundlage des auf höchster Regierungsebene angeordneten Schritts war ein erneuter Fahndungsaufruf der Behörden des US-Bundesstaates New Jersey, die die Gesuchte mit dem zeitgemäßen Etikett »Terroristin« versahen. So sollte gerechtfertigt werden, daß gegen Assata Shakur ein Kopfgeld ausgesetzt wurde. Wie es früher gegen entflohene Sklaven üblich war, wenn auch die Summen damals nicht so hoch waren.
Warum steht Assata Shakur immer noch ganz oben auf der Fahndungsliste des FBI? 1973 wurde die als »JoAnne Chesimard« Geborene zusammen mit ihrem Lebensgefährten Zayd Malik Shakur und ihrem Genossen Sundiata Acoli auf einem Highway in New Jersey von einer Polizeistreife angehalten. Dieser Vorfall wurde später als »Fahndungserfolg« dargestellt, war aber in Wirklichkeit eine der üblichen terroristischen Kontrollen gegen schwarze Insassen eines Autos. Die drei Black Panthers wehrten sich gegen ihre Verhaftung, die Polizisten sorgten für einen wahren Kugelhagel. Zayd Shakur war sofort tot, Assata Shakur wurde durch zwei Schüsse in die Brust schwer verletzt. Sundiata Acoli gelang zunächst die Flucht, doch kurze Zeit später wurde auch er verhaftet. Ein Uniformierter starb, und zynischerweise wurde Assata, obwohl sie nachweislich unbewaffnet war, nicht nur wegen Mordes an dem Polizisten, sondern auch wegen Mordes an ihrem Mann angeklagt.
In den folgenden Jahren mußte Assata eine Vielzahl von Gerichtsverfahren in verschiedenen US-Bundesstaaten über sich ergehen lassen. Dabei sah sie sich immer weißen Geschworenenjurys und verurteilungswütigen Richtern gegenüber, die nicht einmal versuchten, den Eindruck von Fairneß zu erwecken. Trotz dieser schlechten Voraussetzungen wurde sie von jenen Anklagen freigesprochen, bei denen es um die Delikte rund um ihre Mitgliedschaft in der Black Panther Party ging, für die das FBI sie auf die Liste der »Meistgesuchten« gesetzt hatte. Als sie schließlich im letzten Verfahren 1977 wegen der Verhaftungssituation in New Jersey zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, war völlig eindeutig, daß es nicht mehr um die Umstände ihrer Festnahme – und vor allem nicht den Kugelhagel der Polizei – ging, sondern um ihre politische Gesinnung.
Diese Frau als »Terroristin« zu brandmarken, ist ein starkes Stück. Vielmehr war es Assata, die von den Staatsorganen des weißen Amerika terrorisiert wurde: sowohl während ihrer Jahre als junge politische Aktivistin, die sie in ihrer auch in deutscher Sprache veröffentlichten Autobiographie sehr anschaulich schildert, als auch nach ihrer Verhaftung, in einer Lynchjustizatmosphäre, in der Isolationshaft. Sie sollte exemplarisch dafür bestraft werden, daß sie es gewagt hatte, sich als Schwarze und als Frau gegen die Verhältnisse aufzulehnen.
2005 reagierte Kubas Staatspräsident Fidel Castro unmittelbar auf den neuen Fahndungsaufruf und das ausgesetzte hohe Kopfgeld und erklärte, warum die sozialistische Republik Kuba Assata Shakur nicht ausliefern werde. Er nannte sie öffentlich eine politische Gefangene und erinnerte daran, daß sie bis zu ihrer Flucht als einzige Frau in einem Männergefängnis isoliert gefangengehalten worden war.
Seit Jahrhunderten hat das weiße Amerika nichts so sehr in Rage versetzt wie die geglückte Flucht schwarzer Sklaven. Doch bleibt die lange Geschichte des Kampfes der Schwarzen um Befreiung bis heute hochaktuell. Assata Shakur war es am 2. November 1979 gelungen, dem Gefängnis mit Hilfe eines aus schwarzen und weißen Revolutionären bestehenden Kommandos zu entfliehen. Diese Aktion war dermaßen gut und listreich geplant, daß dabei keine Gewalt angewendet werden mußte. Weil es Assata Shakur gelungen ist, ihre Ketten abzustreifen, drückte das US-Imperium ihr den Stempel »Terroristin« auf. Denn kaum etwas »terrorisiert« die Herrschenden mehr, als daß sich jemand ihrer Willkür entzieht.
Wenn die Justiz in den USA darauf aus ist, Terroristen dingfest zu machen, dann braucht sie eigentlich nicht lange zu suchen. Ein Blick ins Weiße Haus könnte die Suche von Erfolg krönen. Die Täter, die für die Kriege gegen die Zivilbevölkerungen Iraks und Afghanistans verantwortlich sind, sitzen dort in Amt und Würden. Im Gegensatz zu ihnen lebt und arbeitet Assata Shakur als geachtete Repräsentantin des anderen Amerika in Kuba und wird von dort aus hoffentlich noch lange für die Befreiung der Schwarzen wirken können. Am 16. Juli wird Assata Shakur 60 Jahre alt.

Übersetzung: Jürgen Heiser

Assata Shakur: »Assata. Eine Autobiographie aus den schwarzen Widerstand in den USA«, Bremen 2003

 
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