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Kolumne 25.02.06: Das US-Problem mit der Demokratie

25.02.06 (von maj) Wie Washington dem Mittleren Osten »freie Wahlen« verordnete – und in Palästina auf die Nase fiel

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr.48, 25./26. Februar 2006

Bei den kürzlich abgehaltenen Wahlen in Palästina hat die bislang regierende Fatah-Partei ihre Mehrheit an die
Hamas-Bewegung verloren. Ein Ereignis, das in Europa, Israel und den USA große Bestürzung ausgelöst hat. Überraschend wirkte der Hamas-Sieg auch deswegen, weil die weltweit operierenden westlichen Medienkonzerne nur wenige Stunden vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses noch Hochrechnungen veröffentlicht hatten, nach denen die Fatah die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen würde.
Auch das Irak-Desaster der USA basierte maßgeblich auf Desinformation und Wunschdenken. Vorgebliche Absicht von Einmarsch und Besatzung war es ja, dem Mittleren Osten Demokratie zu bringen. Irak sollte nur der Anfang sein. Wen aber wird zukünftig ein Volk wählen, das unter von fremden Besatzern verordneter oder ausgeübter Repression seine Stimme abgibt? Wählt es eine Regierung, deren Mitglieder vom Westen gekauft sind? Oder Abgeordnete, die frei sind von westlichen Einflüssen? Was wir in Palästina beobachten konnten, war ein Vorgeschmack auf das, was in Irak und anderswo passieren könnte. Wenn die Bevölkerungen der arabischen Länder mit ansehen müssen, daß ihre politischen Führer in eleganten italienischen Maßanzügen herumlaufen, daß sie wie Fürsten leben und einige von ihnen auch wirkliche Prinzen sind und einem unermeßlichen Luxus frönen, dann schafft das alles andere als Vertrauen.
Nur wenige Minuten nach dem Bekanntwerden des Wahlsieges der Hamas erklärten die USA und andere Geberländer, sie würden ihre Subventionen für die palästinensische Selbstverwaltung aufkündigen, falls Hamas die Regierung bilde. Verlautbarungen wie diese verweisen darauf, wie kompromißbereit die bisherige Fatah-Regierung gewesen sein muß und in welchem Ausmaß sie von den finanziellen Zuwendungen des Auslands abhängig war. Der Wahlsieg der Hamas ist ein Vorbote dessen, was noch zu erwarten ist. Die Konsternation und die aufgeregten Reaktionen westlicher Regierender haben bewiesen, daß es nicht um demokratische Willensbildungsprozesse geht. Zudem drängt sich die Frage auf, was es grundsätzlich mit dem
»Friedensprozeß« im Nahen Osten auf sich hat? Ganz einfach: Einen solchen hat es nie gegeben. Es gab eine ausgehandelte Kapitulation, bei der Wörter wie »Frieden« nur schlecht kaschierten, daß weiterhin Landnahme die Politik der Besatzungsmacht prägte.
Der Hamas-Wahlsieg läßt erkennen, was »Demokratie« künftig in Irak bedeuten könnte: Das Land könnte eine der arabischen Provinzen eines ausgedehnten schiitischen Superstaates werden. So würde in Ägypten das Mubarak-Regime zweifellos gestürzt werden, wenn es wirklich zu freien Wahlen käme. Islamische Parteien haben erst kürzlich, als in Ägypten nach langer Zeit Teilwahlen zugelassen wurden, eine beachtliche Zahl von Sitzen im Parlament erobert. Und die Scheichtümer der Region – wie lange würden sich wohl die Königshäuser an der Macht halten können, wenn die Bevölkerung dieser Länder demokratisch wählen dürfte?
Die Wahlen in Palästina haben zum Ausdruck gebracht, daß viele Menschen in der arabischen Region sich nach einer Veränderung sehnen. Niemand hätte gedacht, daß die einst von Yassir Arafat geleitete Partei schon kurz nach seinem Tod die Regierungsmacht verlieren würde. Die Regierung von George W. Bush gibt vor, es gehe ihr um die Errichtung der Demokratie. Palästina hat gezeigt, welche konkreten Ergebnisse diese Demokratie zeitigen kann. Und dennoch muß auch hierzu wahrheitsgemäß angemerkt werden, daß das palästinensische Volk durch diese Wahlen nicht befreit wurde. Sein Land ist immer noch besetzt. Über fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge leben seit Jahrzehnten verstreut über die gesamte Region in armseligen Flüchtlingslagern. Die Beteiligung an den Wahlen mag zu wachsendem nationalen Selbstbewußtsein führen, aber ihr Selbstbestimmungsrecht haben die Palästinenser noch lange nicht wiedererlangt. Für Millionen von ihnen wird der Tag des Wahlsieges unvergessen bleiben, aber seine Bedeutung verblaßt vor der »Nakba«, wie die Palästinenser ihr nationales Unglück der mit 1948 beginnenden Vertreibung aus ihrer Heimat nennen. Ihre Gedenktage sind bestimmt von Invasionen, Vertreibung und den militärischen Aktionen Israels.
Doch auch wenn die guten Tage in der Geschichte eines Volkes rar sein mögen, ändert das nichts daran, daß es dennoch gute Tage sind.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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